1. Entscheidung durch Beschluss
Tz. 20
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Entscheidung ergeht durch Beschluss, den das Gericht begründen muss (§ 113 Abs. 2 Satz 2 FGO). Für die Entscheidung des Gerichts gelten § 69 Absatz 2 Satz 2 bis 6 FGO und § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO entsprechend (§ 69 Abs. 3 Satz 1 2. HS FGO). Die entsprechende Geltung des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO bedeutet, dass das Gericht unter den dort bestimmten Voraussetzungen den Betrag, hinsichtlich dessen es Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung aussprechen will, durch Angabe der vorläufig zu berücksichtigenden bzw. nicht zu berücksichtigenden Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art so bestimmt, dass die Behörde ihn aufgrund der Entscheidung errechnen kann (im Einzelnen s. § 100 FGO Rz. 12 ff.).
2. Inhalt der Entscheidung
a) Aussetzung der Vollziehung
Tz. 21
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ist die Vollziehung ausgesetzt, so bleibt der angefochtene Verwaltungsakt zwar wirksam i. S. von § 124 Abs. 1 AO, jedoch darf der Antragsgegner keine rechtlichen Folgen daraus ziehen. Insbesondere darf er keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergreifen, und auch die Aufrechnung ist ausgeschlossen (hierzu und wegen der weiteren Wirkungen s. § 361 AO Rz. 45 ff.).
b) Aufhebung der Vollziehung
Tz. 22
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Der Antragsteller kann die Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes beantragen, wenn dieser bereits vollzogen wurde. Sie ist unter den gleichen Voraussetzungen zu gewähren wie die Aussetzung der Vollziehung (BFH v. 10.05.1968, III B 55/67, BStBl II 1968, 610), wirkt jedoch – anders als die AdV (s. Rz. 14) – ex tunc, sodass bereits getroffene Vollziehungsmaßnahmen, insbes. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, wieder rückgängig zu machen sind. Zum Begriff der Vollziehung s. § 361 AO Rz. 7 f.). Eine Aufhebung der Vollziehung wegen verfassungsrechtlicher Bedenken kommt erst dann in Betracht, wenn das Gericht das BVerfG in dieser Sache gem. Art. 100 Abs. 1 GG anruft (dazu s. Vor FGO Rz. 62 ff.; BFH v. 26.01.2010, VI B 115/09, BFH/NV 2010, 935). Wird die Vollziehung eines Jahres-USt-Bescheids oder ein ESt-Bescheids aufgehoben, so wären an sich die geleisteten Vorauszahlungen zu erstatten. Dem steht jedoch § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO, der auch für das gerichtliche Aussetzungsverfahren gilt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 FGO) entgegen (zur inhaltlich entsprechenden Vorschrift des § 361 Abs. 2 Satz 4 AO s. § 361 AO Rz. 47 f.). In Erstattungsfällen kommt daher eine Aufhebung der Vollziehung (und auch eine Aussetzung der Vollziehung) nicht in Betracht (s. Rz. 22a).
3. Beschränkung der AdV auf den Unterschiedsbetrag (§ 69 Abs. 2 Satz 8 FGO)
Tz. 22a
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Nach § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO ist die AdV/Aufhebung der Vollziehung bzgl. Steuerbescheiden grds. beschränkt auf den Unterschiedsbetrag, der sich aus festgesetzter Steuer und den anzurechnenden Steuerabzugsbeträgen, die anzurechnende KSt und die festgesetzten Vorauszahlungen ergibt. Mit der Vorschrift werden rein fiskalische Zwecke verfolgt, indem in Erstattungsfällen eine Aussetzung oder eine Aufhebung der Vollziehung grds. ausgeschlossen wird, um Steuerausfälle durch vorläufige Steuererstattungen zu vermeiden (krit. Stapperfend in Gräber, § 69 FGO Rz. 257 ff.; Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 181 ff.; a. A. Gosch in Gosch, § 69 FGO Rz. 197 ff.; zum Ganzen eingehend Birkenfeld in HHSp, § 69 FGO Rz. 541 ff.). Dies gilt gem. § 69 Abs. 3 Satz 4 FGO auch für das gerichtliche AdV-Verfahren.
Tz. 22b
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Eine Ausnahme von diesem Grundsatz (Rz. 22a) besteht in den Fällen, in denen die AdV/Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 69 Abs. 2 Satz 8 Halbsatz 2 FGO). Wesentliche Nachteile in diesem Sinn liegen nach der Rechtsprechung des BFH vor, wenn durch die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen unmittelbar und ausschließlich bedroht sein würde (z. B. BFH v. 22.12.2003, IX B 177/02, BStBl II 2004, 367 m. w. N.). Darüber hinaus gewährleistet § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO aufgrund des Gebots eines effektiven Rechtsschutzes, dass wegen wesentlicher Nachteile zugunsten des Bürgers von den allgemeinen Grundsätzen abgewichen werden kann, wenn ein unabweisbares Interesse dies gebietet (BVerfG v. 07.12.1997, 2 BvF 1, 2, 4, 5/77, BVerfGE 46, 337, 340), um eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung von Grundrechten zu vermeiden, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG v. 15.08.2002, 1 BvR 179/00, NJW 2002, 3691; BVerfG v. 16.05.1995, 1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1, 14; BVerfG v. 25.10.1988, 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69, 74 f.; BFH v. 22.12.2003, IX B 177/02, BStBl II 2004, 367).
4. Sicherheitsleistung
Tz. 23
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AdV und deren Aufhebung können von Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden (§ 69 Abs. 3 Satz 1 2. HS i. V. m. Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 3 FGO). Dies gilt auch dann, wenn die Gewährung der AdV wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts erfolgt, ohne dass ein für den Antragsteller günstiger Prozessausgang weder mit Gewissheit noch mi...