A. Allgemeines

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Vorschrift begründet Auskunftsverweigerungsrechte bestimmter Berufsträger, die weitgehend an die entsprechenden Regelungen in der StPO unter Ausklammerung allein für das Strafrecht bedeutsamer Verweigerungsrechte angelehnt sind. Ein Auskunftsverweigerungsrecht für Kreditinstitute besteht nicht (BFH v. 22.02.2000, VII R 73/98, BStBl II 2000, 366; BFH v. 21.12.1992, XI B 55/92, BStBl II 1993, 451; FG SAnh v. 20.08.2014, 2 K 867/13, EFG 2015, 2098; s. auch die Erläuterungen zu § 30a AO). Auch die Berechtigung zur Fertigung von Kontrollmitteilungen bleibt grundsätzlich unberührt (BFH v. 24.08.2006, I S 4/06, BFH/NV 2006, 2034). Ebenso können spezielle gesetzliche Regelungen das Auskunftsverweigerungsrecht einschränken. Dies können auch in Einzelsteuergesetzen normierte Regelungen sein (BFH v. 29.09.2017, XI R 15/15, BStBl II 2018, 155).

B. Bedeutung und Anwendungsbereich der Vorschrift

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 102 AO trägt dem Umstand Rechnung, dass bestimmte Berufsgruppen eine besondere Vertrauensstellung genießen, die mit der Verpflichtung zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verknüpft sind. Dem Schutz dieser Berufsgeheimnisse dienen die Aussageverweigerungsrechte. Die Finanzbehörden sollen sich keine Informationen verschaffen können, die in dem geschützten Vertrauensverhältnis bekannt sind. Allerdings beinhaltet die Vorschrift kein Auskunftsverbot, sondern nur ein Auskunftsverweigerungsrecht, sodass der betroffene Personenkreis selbst einzuschätzen hat, ob und in wie weit er zur Auskunftserteilung bereit ist (BFH v. 29.09.2017, XI R 15/15, BStBl II 2018, 155). Eine Verpflichtung, keine Angaben zu machen, kann sich jedoch aus außersteuerlichen Vorschriften ergeben. § 102 AO findet in allen Stadien der steuerlichen Verfahrens Anwendung, sodass ein umfassender Schutz des Stpfl. gegeben ist. Es besteht jedoch die Möglichkeit einer Entbindung von der Schweigepflicht (§ 102 Abs. 3 AO, s. Rz. 8).

 

Tz. 2a

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 102 AO findet in allen finanzbehördlichen Besteuerungsverfahren Anwendung; zur Anwendung im Rahmen des § 159 AO und § 160 AO s. § 159 AO Rz. 12 ff. und s. § 160 AO Rz. 27. Die Vorschrift soll im Übrigen für eigene und fremde Steuersachen gelten (BFH v. 28.10.2009, VIII R 78/05, BFH/NV 2010, 705); u. E. aber nur insoweit, wie es um Verhältnisse von Dritten geht, die für den begünstigten Personenkreis für die eigene Besteuerung von Bedeutung sein können. Zur Ausübung des Aussageverweigerungsrechts ist erforderlich, dass der sich auf das Verweigerungsrecht Berufende die Voraussetzungen des Aussageverweigerungsrechts hinreichend darlegt und erforderlichenfalls glaubhaft macht (BFH v. 18.08.2010, I B 110/10, BFH/NV 2011, 5; BFH v. 23.02.2011, VIII B 126/10, BFH/NV 2011, 1283).

C. Tatbestandliche Voraussetzungen

I. Betroffener Personenkreis

 

Tz. 3

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Der Personenkreis, dem das beruflich bedingte Verweigerungsrecht zusteht, ist in Abs. 1abschließend genannt. Es handelt sich also nicht um eine nur beispielhafte Aufzählung, sodass sich andere Berufsgruppen nicht auf ein berufsbedingtes Aussageverweigerungsrecht berufen können. Deshalb steht auch Mitarbeitern von Kreditinstituten kein Auskunftsverweigerungsrecht zu (BFH v. 09.08.1999, VII B 332/98, BFH/NV 2000, 75; FG SAnh v. 20.08.2014, 2 K 867/13, EFG 2015, 2098) auch zum sog. Bankgeheimnis s. § 30a AO Rz. 1). Ob eine Person zum geschützten Personenkreis gehört, richtet sich in der Regel nach berufsrechtlichen Regelungen, wie z. B. für Rechtsanwälte nach der BRAO, für Notare nach der BNotO, für Steuerberater nach dem StBerG und für Wirtschaftsprüfer aus der WPO. Eine Sonderstellung nimmt insoweit § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO ein, der ungeachtet ihrer beruflichen Stellung allen Personen ein Auskunftsverweigerungsrecht zubilligt, die an der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von periodischen Druckwerken oder Rundfunksendungen berufsmäßig beteiligt sind. Auf diese Weise wird die durch Art. 5 GG geschützte Pressefreiheit gewährleistet. Beschränkt ist das Auskunftsverweigerungsrecht auf den redaktionellen Teil von periodischen Werken. Nicht unter den Schutzbereich fällt also z. B. der Anzeigenteil einer Zeitung oder Bücher oder Flyer. Diese Einschränkung ist nach BFH v. 26.08.1980, VII R 42/80, BStBl II 1980, 699 verfassungsgemäß. Deshalb ist die Finanzbehörde befugt, eine Zeitung um Auskunft über die Identität des Auftraggebers einer Chiffreanzeige zu ersuchen (auch BFH v. 07.08.1990, VII R 106/89, BStBl II 1990, 1010); dies gilt auch für Sammelauskunftsersuchen (BFH v. 12.05.2016, II R 17/14, BStBl II 2016, 822) Auch die Angabe zu Anlass und Teilnehmern bei einer Bewirtung sind nicht vom Auskunftsverweigerungsrecht umfasst, mit der Folge, dass allerdings der Abzug der Aufwendungen versagt wird (BFH v. 15.11.1998, IV R 81/96, BStBl II 1998, 263).

 

Tz. 4

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Gemäß § 102 Abs. 2 AO stehen den in § 102 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AO genannten Personen ihre Gehilfen und die Personen gleich, die zur Vorbereitung auf den Beruf an der berufsmäßigen Tätigkeit teilnehmen....

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