A. Allgemeines

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 AO können Fristen, die von einer Finanzbehörde gesetzt sind, und Fristen zur Einreichung von Steuererklärungen (auch wenn sie gesetzlich geregelt sind) vorbehaltlich der in Abs. 2 normierten Voraussetzungen verlängert werden (zur Erklärungsfrist die Erläuterungen zu s. § 149 AO). Andere gesetzliche, vor allem die Ausschlussfristen, sind daher nicht verlängerbar (BFH v. 21.10.1999, V R 76/98, BStBl II 2000, 214; BFH v. 22.10.2014 X R 18/14, BStBl II 2015, 371; BFH v. 27.02.2018, I B 37/17, – juris zur Antragsfrist auf Feststellung einer Einlagenrückgewähr). Gleiches gilt für die Dokumentation von Zuordnungsentscheidungen bei gemischt genutzten Gegenständen. Die Zuordnungsentscheidung ist spätestens bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Jahresablösung zu dokumentieren. Fristverlängerungen für die Abgabe der Steuererklärungen verschieben den Dokumentationszeitpunkt nicht mit (BFH v. 07.07.2011, V R 21/10, BStBl II 2014, 81). Fristverlängerung bedeutet Verschiebung der an den Fristablauf geknüpften Wirkungen auf einen späteren Zeitpunkt. § 109 Abs. 1 Satz 2 AO stellt klar, dass die Verlängerung einer Frist auch noch nach deren Ablauf (rückwirkend) zulässig ist. Eine Verlängerung von Anzeigefristen (z. B. nach dem GrEStG) hat keinen Einfluss auf die Ablaufhemmung der Verjährungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO (BFH v. 17.08.2009, II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970).

Für die Berechnung gilt § 190 BGB entsprechend (§ 108 Abs. 1 AO). Hiernach wird die neue Frist von dem Ablaufe der vorigen Frist an berechnet und bildet deshalb mit der ursprünglichen Frist keine Einheit. Der Ablauf der ursprünglichen Frist ist zunächst unter Anwendung von § 108 AO zu errechnen. Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, ob das Fristende auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Samstag (Sonnabend) fällt (§ 108 Abs. 3 AO). Der Verlängerungszeitraum schließt sich dann erst an den nächstfolgenden Werktag an.

B. Tatbestandliche Voraussetzungen

I. Verfahren

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Fristverlängerung erfolgt in der Regel auf einen Antrag des Stpfl. Sie ist aber auch von Amts wegen möglich. Die Entscheidung über eine Verlängerung steht im Ermessen der Finanzbehörde. Für den Fall der rückwirkenden Fristverlängerung enthält § 109 Abs. 1 Satz 2 AO eine besondere Hervorhebung eines für die Ermessensausübung maßgeblichen Gesichtspunktes. Danach ist die rückwirkende Fristverlängerung insbes. dann auszusprechen, wenn es unbillig (Verknüpfung mit unbestimmten Rechtsbegriff, s. § 5 AO Rz. 8) wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen. Außerdem wird dadurch verdeutlicht, dass die Fristverlängerung den bereits eingetretenen Fristablauf und die damit verbundenen Rechtsfolgen mit rückwirkender Kraft beseitigt. Im Übrigen wird bei der Gewährung einer Fristverlängerung im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung auch darauf abzustellen sein, ob der Betroffene in der Lage gewesen wäre, rechtzeitig, d. h. vor dem Fristablauf, um Fristverlängerung zu bitten. Im Allgemeinen wird man demjenigen, dem die Behörde eine Frist gesetzt hat, zumuten können, vor Fristablauf um Fristverlängerung nachzusuchen, wenn er die Frist nicht einhalten kann.

Eine stillschweigende Fristverlängerung ist möglich und vor allem dann denkbar, wenn die Finanzbehörde auf einen entsprechenden Antrag des Stpfl. keine gegenteilige Nachricht gibt.

II. Besondere Voraussetzungen bei Steuererklärungsfristen

 

Tz. 3

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§ 109 Abs. 2 AO ist im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.07.2016 (BGBl I 2016, 1679) in das Gesetz eingefügt werden. Die Regelung findet erstmals Anwendung auf Besteuerungszeiträume, die nach dem 31.12.2017 beginnen; faktisch gilt die Regelung also ab 2018. Die Norm beschränkt die Möglichkeiten einer Fristverlängerung bei Steuererklärungsfristen. Wie schon die Verweisungen auf § 149 Abs. 3 und 4 AO zeigen, steht die Einschränkung der Verlängerungsmöglichkeit in engem Zusammenhang mit der Neuregelung der Abgabefristen für Steuererklärungen. Da die Frist zur Abgabe der Steuererklärungen für die steuerberatenden Berufe nunmehr gesetzlich bis auf Ende Februar des Zweitfolgejahres nach der Entstehung der Steuer festgelegt wurde, soll nach Ablauf des Abgabestichtages nur ausnahmsweise eine Fristverlängerung in Betracht kommen. Die in der Vergangenheit bestehende jährliche Praxis, die Steuererklärungsfristen durch Verwaltungsanweisungen allgemein zu verlängern, ist durch die Neuregelung obsolet geworden, sodass Fristverlängerungen nur noch nach individueller Prüfung am Maßstab des Abs. 2 in Betracht kommen sollen (BR-Drs. 631/15, 88). Die Voraussetzungen, unter denen eine Verlängerung möglich ist, gelten gleichermaßen für Fristverlängerung über Ende Februar hinaus (§ 149 Abs. 3 AO) und in den Fällen vorzeitiger Anforderung (§ 149 Abs. 4 AO).

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Aus der Gesetzesformulierung des § 109 Abs. 2 Satz 1 AO, dass Abs. 1 nur anzuwenden ist, falls der Stpfl. ...

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