A. Begriff der sachlichen Zuständigkeit
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Unter sachlicher Zuständigkeit versteht man die Verteilung der den Behörden zugewiesenen Verwaltungsaufgaben auf verschiedene Verwaltungsträger nach sachlichen Gesichtspunkten, d. h. nach der Art des zugewiesenen Aufgabenbereichs. Bei der Zuständigkeitsregelung innerhalb einer Behörde (Geschäftsverteilung) handelt es sich nicht um die Regelung der sachlichen Zuständigkeit i. S. der Vorschrift.
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Unterarten der sachlichen Zuständigkeit sind die funktionelle und die verbandsmäßige Zuständigkeit. Die funktionelle Zuständigkeit regelt, auf welcher Stufe innerhalb der Hierarchie sachlich zuständiger Behörden (Unter-, Mittel- und Oberbehörde) welche Aufgaben erledigt werden, z. B. Steuerfestsetzung durch die Finanzämter und nicht durch die Oberfinanzdirektion oder das Finanzministerium. Die verbandsmäßige Zuständigkeit dagegen regelt das Organ welchen Rechtsträgers für eine Aufgabe zuständig ist, z. B. eine Bundesbehörde in Abgrenzung zu einer Landesbehörde, eine Gemeinde in Abgrenzung zu einer anderen Gemeinde. Die verbandsmäßige Zuständigkeit hat im Steuerrecht nur dann eine Bedeutung, wenn es um die Steuerberechtigung einer Gebietskörperschaft geht, also z. B. in den Fällen, in denen die Belegenheit für die Steuerberechtigung ausschlaggebend ist. Dies gilt für die Grundsteuer (§ 1 Abs. 1 GrSt) und die Gewerbesteuer (§ 4 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Sie geht der örtlichen Zuständigkeit vor. Dagegen ist bei nicht gebietsgebundenen Steuern wie z. B. der Einkommensteuer die verbandsmäßige Zuständigkeit unbeachtlich (AEAO zu § 16, Nr. 2 Satz 2).
B. Regelung der sachlichen Zuständigkeit
Tz. 3
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§ 16 AO verweist wegen der grundsätzlichen Regelung der sachlichen Zuständigkeit auf das FVG. Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 FVG sind für die Verwaltung der Steuern – mit Ausnahme der Kfz-Steuer und der bundesgesetzlich geregelten Verbrauchssteuern – die Finanzämter zuständig, soweit die Verwaltung nicht gemäß Art. 108 Abs. 4 GG den Gemeinden (Gemeindeverbänden) übertragen wurde (s. § 22 AO Rz 1).
Darüber hinaus gelten besondere gesetzliche Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit; das FVG hat insoweit subsidiäre Geltung: "soweit nicht anderes bestimmt ist". Derartige besondere Regelungen der sachlichen Zuständigkeit finden sich z. B. in §§ 249 Abs. 1 Satz 3 und § 328 Abs. 1 Satz 3 AO, § 386 Abs. 1 Satz 2 AO.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Fehler in der sachlichen Zuständigkeit können Nichtigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes zur Folge haben. Liegt ein besonders schwerer Fehler vor und ist dies offensichtlich, ist der Verwaltungsakt nichtig (§ 125 Abs. 1 AO). Das ist der Fall bei Verletzung der verbandsmäßigen Zuständigkeit sowie im Bereich der funktionellen Zuständigkeit dann, wenn die Zuständigkeitsregelung auf der Sachkunde der betroffenen Behörde beruht, z. B. der städtische Schlachthof anstelle des Steueramtes den Gewerbesteuerbescheid erlässt (s. § 125 AO Rz. 6). Soweit Fehler in der sachlichen Zuständigkeit nicht zur Nichtigkeit eines Verwaltungsakts führen, ist er rechtswidrig mit der Folge seiner Rücknahme bzw. Aufhebung im Rahmen der §§ 130, 172 AO oder im Einspruchsverfahren.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 126, § 127 AO sind auf Fehler in der sachlichen Zuständigkeit nicht anwendbar (BFH v. 13.12.2001, III R 13/00, BStBl II 2002, 406 m. w. N.).