Schrifttum
von Wedelstädt, Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz: Änderung der Abgabenordnung, DB 1994, 9;
Krabbe, Verständigungsverfahren, IStR 2002, 548;
Leising, Die Klage auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach Art. 25 Abs. 2 OECD-MA, IStR 2002, 114;
Bartone/von Wedelstädt, Korrektur von Steuerverwaltungsakten, 2. Aufl. 2017;
Kramer, APA – Vorabverständigungsverfahren und Vorabzusagen über Verrechnungspreise, IStR 2007, 174;
Loh/Sternert, Scheitern internationale Lösungen von Verrechnungsfragen am § 175a AO?, BB 2008, 2383;
Lühn, Scheitern internationale Lösungen von Verrechnungspreisen an § 175a AO, BB 2009, 412.
A. Bedeutung der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 175a Satz 1 AO gewährleistet als selbstständige Korrekturnorm, dass Verständigungsvereinbarungen (vgl. Art. 25 OECD-MA) und Schiedssprüche aufgrund von völkerrechtlichen Verträgen i. S. des § 2 AO durch Erlass, Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden umgesetzt werden können, und zwar ohne Rücksicht auf deren Bestandskraft (BMF v. 13.07.2006, IV B 6 S 1300 340/06, BStBl I 2006, 461). Bei den völkerrechtlichen Verträgen handelt es sich zumeist um DBA. Zum Begriff des völkerrechtlichen Vertrages s. § 2 AO Rz. 2 ff. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf (BR-Drs. 612/93, 102) soll § 175a Satz 1 AO auch gelten für die Umsetzung von Stellungnahmen des Beratenden Ausschusses nach dem noch nicht ratifizierten Übereinkommen zwischen den EU-Staaten über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (ABl. EG Nr. L 225 vom 20.08.1990, 10).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift findet sowohl auf Steuerbescheide als auch auf ihnen gleichgestellte Bescheide Anwendung (von Wedelstädt in Gosch, § 175a AO Rz. 4; s. Vor §§ 172–177 AO Rz. 3 ff.).
B. Tatbestand
I. Verständigungsvereinbarung
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Verständigungsverfahren (vgl. Art. 25 OECD-MA) dienen der Beseitigung von Konflikten, die zwischen völkerrechtlichen Abkommen über die Besteuerung und nationalem Steuerrecht auftreten können. Das Verständigungsverfahren, dessen Rechtsgrundlage die Verständigungsklauseln in DBA sind, ist ein zwischenstaatliches Verfahren zur übereinstimmenden Anwendung solcher Abkommen. Die Verständigungsverfahren werden von den Vertragsparteien des jeweiligen Abkommens geführt. Für die Bundesrepublik Deutschland handelt das BMF im Einvernehmen mit den zuständigen obersten Landesbehörden (von Wedelstädt in Gosch, § 175a AO Rz. 10).
II. Schiedsspruch
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Für den Fall des Scheiterns eines Verständigungsverfahrens sehen einige DBA (z. B. Art 25a DBA-Frankreich, Art. 25 Abs. 5 DBA-USA) die Durchführung eines Schiedsverfahrens vor, das durch Schiedsspruch beendigt wird. Eine tatsächliche Verständigung ist keine nach dem DBA vorgesehene Verständigungsvereinbarung (BFH v. 28.02.2002, V B 167/01, BFH/NV 2002, 1010).
C. Rechtsfolge
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Umsetzung einer Verständigungsvereinbarung oder eines Schiedsspruchs nach einem Vertrag i. S. des § 2 AO bedeutet entsprechende Steuerfestsetzung durch die zuständige (hier deutsche) Finanzbehörde. Dies erfolgt durch erstmalige Festsetzung oder durch Änderung bzw. Aufhebung einer bereits erfolgten Steuerfestsetzung gem. der zwischenstaatlichen Übereinkunft (Loose in Tipke/Kruse, § 175a AO Rz. 4). Diese muss Gegenstand des Verständigungsverfahrens gewesen sein. Eine sinngemäße Anwendung von § 175a AO auf Steuerbescheide, die nicht Gegenstand des Verständigungsverfahrens waren, ist angesichts des klaren Wortlauts der Norm nicht möglich (FG Mchn v. 28.10.2008, 6 K 2831/07, juris; FG Köln v. 06.05.2015, 2 K 3712/10, EFG 2015, 2088). Zur Zuständigkeit des BMF und zu weiteren Einzelheiten Merkblatt des BMF v. 13.07.2006, IV B 6 S 1300 340/06, BStBl I 2006, 461.
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Finanzbehörde ist zur Umsetzung von Verständigungsvereinbarungen bzw. Schiedssprüchen verpflichtet. Es besteht kein Ermessen (von Wedelstädt in Gosch, § 175a AO Rz. 20). §§ 176 und 177 AO sind anzuwenden.
D. Festsetzungsfrist
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 175a Satz 2 AO enthält eine spezielle Ablaufhemmung. Hiernach endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Wirksamwerden der Verständigungsvereinbarung oder des Schiedsspruchs. Das setzt nach neuerer Auffassung voraus, dass die Festsetzungsfrist bei Einleitung des Verständigungsverfahrens oder bei Antrag des Stpfl. auf Einleitung eines solchen Verfahrens noch nicht abgelaufen war (so auch Loose in Tipke/Kruse, § 175a Rz. 8; Koenig in Koenig, § 175a AO Rz. 10; von Groll in HHSp, § 175a AO Rz. 102). Es genügt danach auch, wenn der Stpfl. die Einleitung eines derartigen Verfahrens vor Eintritt der Festsetzungsverjährung beantragt hat. Nach vorzugswürdiger Auffassung tritt die Ablaufhemmung des § 175a Satz 2 AO jedoch auch dann ein, wenn die regelmäßige Festsetzungsfrist des § 169 AO bereits abgelaufen ist, denn nur dann können Verständigungsverfahren effektiv umgesetzt werden (Szymczak in K/S, § 175a AO Rz. 5; Bartone in Barton...