Schrifttum
Carl/Klos, Die Hingabe von Kunstgegenständen an Zahlungs Statt, StVj 1992, 156.
A. Bedeutung der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Unter bestimmten Voraussetzungen können Steuerschulden durch Hingabe von Kunstgegenständen an Zahlungs statt erfüllt werden. Solange die Vermögensteuer nicht erhoben wird, ist der Anwendungsbereich der Vorschrift allerdings auf die den Ländern zufließende Erbschaftsteuer beschränkt (Korrespondenz mit der Kulturhoheit). Verhindert werden soll, dass Kunstgegenstände an Private oder in das Ausland veräußert werden, um die entsprechenden Steuerschulden zu begleichen.
B. Tatbestandliche Voraussetzungen
I. Gegenstände der Hingabe an Zahlungs statt
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
An Zahlungs statt zu Eigentum übertragen werden können Kunstgegenstände (Gemälde, Aquarelle, Lithographien, Plastiken, Skulpturen usw.), Kunstsammlungen (eine Mehrheit von Kunstgegenständen, die planmäßig oder auch zufällig zusammengeführt sind), wissenschaftliche Sammlungen (Sammlungen, die die methodische Forschung unterstützen oder veranschaulichen), Bibliotheken, Handschriften (Manuskripte – auch Notenmanuskripte – und Briefe, natürlich auch mittelalterliche Handschriften einschließlich der sog. Prachthandschriften) und die den wissenschaftlichen Sammlungen sehr nahestehenden Archive. An dem Erwerb dieser Gegenstände muss wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft ein öffentliches Interesse bestehen. Die Beurteilung dieser Voraussetzung (sowie damit engstens verbunden die Beurteilung von Gegenständen als Kunstwerk usw.) wird primär in die Zuständigkeit derjenigen obersten Landesbehörde fallen, die für kulturelle Angelegenheiten zuständig ist (§ 224a Abs. 2 Satz 3 AO).
II. Öffentlich-rechtlicher Vertrag
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Leistung an Zahlungs statt ist Erfüllung durch eine andere als die geschuldete Leistung, wenn der Gläubiger diese an Erfüllungs statt annimmt (s. § 364 Abs. 1 BGB). Voraussetzung ist das Zustandekommen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags über die Erfüllung der ursprünglichen Schuld. Der öffentlich-rechtliche Vertrag kommt durch Angebot und Annahme zustande, beide Erklärungen bedürfen der Schriftform (§ 224a Abs. 2 Satz 1 AO). Das schriftliche Vertragsangebot hat der Stpfl. zwar an die örtlich zuständige Finanzbehörde (s. § 35 ErbStG) zu richten, zuständig für den Vertragsabschluss ist jedoch die oberste Finanzbehörde des ertragsberechtigten Landes (§ 224a Abs. 2 Satz 2 AO). Zur Wirksamkeit bedarf der Vertrag der Zustimmung der für kulturelle Angelegenheiten zuständigen obersten Landesbehörde, die die für den Vertragsschluss zuständige Behörde einzuholen hat (§ 224a Abs. 2 Satz 3 AO). Auf den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags (der ohnehin wegen der Verletzung des Budgetrechts des Landtags bzw. Senats bedenklich ist) hat der Stpfl. keinen Rechtsanspruch.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Da die Steuerschuld nach § 224a Abs. 3 AO "in der im Vertrag vereinbarten Höhe" erlischt, ist der Wert der Kunstgegenstände usw. (als "Annahmewert") in dem Vertrag festzuhalten. Dass die Wertfindung häufig nicht nur schwierig, sondern auch wegen der möglichen Einzigartigkeit der Gegenstände i. w. S. äußerst problematisch ist, bedarf eigentlich keiner Erwähnung.
C. Rechtsfolgen und weiteres Schicksal des Vertrags
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ist der öffentlich-rechtliche Vertrag wirksam zustande gekommen, erlischt die Steuerschuld am Tage der Eigentumsübertragung (§ 929 BGB) auf das ertragsberechtigte Land. Wird nach diesem Zeitpunkt die Steuerfestsetzung aufgehoben, so sind die übertragenen Gegenstände zurückzuübertragen (s. BGH v. 30.11.1983, VIII ZR 190/72, BGHZ 89, 126). Bei Änderung der Steuerfestsetzung zugunsten des Stpfl. wird auf das Ausmaß der Herabsetzung abzustellen sein (Frage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage), ob von einem Rückabwicklungsverhältnis auszugehen ist. Wegen der Gewährleistungspflichten des Stpfl. s. § 365 i. V. m. §§ 433ff. BGB.
D. Stundung des Steueranspruchs (§ 224a Abs. 4 AO)
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Solange nicht feststeht, ob ein Vertrag zustande kommt, kann der Steueranspruch nach § 222 AO gestundet werden (§ 224a Abs. 4 Satz 1 AO). Da Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unter den Voraussetzungen des § 222 AO ohnehin zu stunden sind, ist § 224a Abs. 4 Satz 1 AO als Rechtsfolgenverweisung zu qualifizieren. Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 222 AO müssen mithin nicht erfüllt sein (Alber in HHSp, § 224a AO, Rz. 31; Loose in Tipke/Kruse, § 224a AO Rz. 11).
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift bestimmt nicht, wann die Stundung gewährt werden soll. § 224a Abs. 4 Satz 2 AO sagt nur, dass für die Dauer der Stundung auf die Erhebung von Stundungszinsen zu verzichten ist, wenn ein Vertrag zustande kommt. Die Erlöschenswirkung tritt indes nicht mit dem Zustandekommen des öffentlich-rechtlichen Vertrags ein, sondern erst am Tage der Eigentumsverschaffung. Wenn schon gestundet werden soll, dann doch jedenfalls für den Zeitraum zwischen den beiden Ereignissen. Für den Beginn der Stundung ist auf den Zeitpunkt der Abgabe des schriftlichen Vertragsangebots durch den Stpfl. abzustellen, denn von da an hat er auf d...