Schrifttum
Martens, Aufrechnung und Verrechnungsvertrag im Steuerrecht, StuW 1989, 69;
von Feldmann, Die Aufrechnung im BGB und im Steuerrecht, DStR 1991, 222;
Bultmann, Die Aufrechnung im Steuerrecht durch Umbuchungsmitteilungen der Finanzverwaltung, DStZ 1994, 174;
App, Aufrechnungsbefugnis des Finanzamts nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, SteuerStud 2001, 68;
Bartone, Die Aufrechnung im Steuerrecht, AO-StB 2003, 122;
Bartone, Die Aufrechnung in der Insolvenz, AO-StB 2003, 215;
Werth, Die Aufrechnung von steuerlichen Erstattungsansprüchen im Insolvenzverfahren, AO-StB 2007, 70;
Sauerland, Aufrechnung des FA gegen Erstattungsansprüche des anderen Ehegatten, AO-StB 2009, 378.
A. Bedeutung der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Unter Aufrechnung versteht man die wechselseitige Tilgung zweier sich gegenüberstehender Forderungen durch Verrechnung. Sie ist eine Leistung, die die Erfüllung durch Zahlung ersetzt und wie diese das Erlöschen der gegenseitigen Forderungen bewirkt (§ 47 AO). Für die Aufrechnung gelten die Vorschriften des BGB (§§ 387ff. BGB) ergänzt um einige steuerrechtliche Sonderregelungen. Zu unterscheiden ist zwischen einseitiger Aufrechnung durch einen Schuldner und dem im Steuerrecht zulässigen Verrechnungsvertrag (BFH v. 18.02.1986, VII R 8/81, BStBl II 1981, 506, dazu s. Rz. 27).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zur Zulässigkeit der Aufrechnung bei gemeinschaftsrechtlich geregelten Abgaben s. Art. 109 Abs 1 UZK (Verweisung auf das nationale Recht).
B. Sinngemäße Anwendung der Vorschriften des BGB (§ 226 Abs. 1 AO)
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 226 Abs. 1 AO gelten für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§§ 387ff. BGB), soweit nichts anderes bestimmt ist.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die in § 395 BGB für den Fall der Aufrechnung gegen Forderungen des Fiskus geforderte Identität der "Kassen" (= Amtsstellen mit selbstständiger Kassenführung) ist für die Aufrechnung mit oder gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis allerdings ohne Bedeutung (gl. A. Loose in Tipke/Kruse, § 226 AO Rz. 11; BFH v. 25.04.1989, VIII R 105/82, BStBl II 1989, 949; a. A. Bublitz, DStR 1988, 313). § 395 BGB wird durch § 226 Abs. 3 und 4 AO verdrängt (s. Rz. 24 bis 26). Sinngemäße Anwendung von § 406 BGB (BFH v. 13.12.2016, VII R 1/15, BStBl II 2017, 541).
I. Aufrechnungslage (§ 226 Abs. 1 AO i. V. m. § 387 BGB)
1. Gegenseitigkeit der Forderungen
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Gegenseitigkeit der Forderung bedeutet, dass der Schuldner der einen Forderung gleichzeitig Gläubiger der anderen Forderung sein muss. Deswegen unzulässig: Die Aufrechnung des FA mit rückständigen Steuerschulden des einen Ehegatten gegen einen dem anderen Ehegatten zustehenden Anspruch auf Auszahlung überzahlter Lohnsteuer nach Zusammenveranlagung (BFH v. 19.10.1982, VII R 55/80, BStBl II 1983, 162). Die Aufrechnung des FA gegenüber einem Gesamtschuldner, soweit auf ihn nach Aufteilung der Gesamtschuld (s. § 268ff. AO) kein Rückstand mehr entfällt (BFH v. 12.01.1988, VII R 66/87, BStBl II 1988, 406). Auch s. Rz. 26. Bei der Steuerberechnung nach §§ 16ff. UStG selbst handelt es sich nicht um eine Aufrechnung. Die zu saldierenden Steueransprüche sind lediglich unselbstständige Besteuerungsgrundlagen (BFH v. 24.11.2011, V R 13/11, BStBl II 2012, 298).
2. Gleichartigkeit der Forderungen
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Haupt- und Gegenforderung müssen auf eine gleichartige Leistung gerichtet sein. Der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis ist ein Geldanspruch (§ 37 AO). Folglich kann mit und gegen einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis ebenfalls nur mit einem Geldanspruch aufgerechnet werden.
3. Fälligkeit der Gegenforderung
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Aufrechnende muss im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung die Erfüllung der Forderung, mit der er aufrechnet, fordern können. Eine einmal bestehende Aufrechnungslage entfällt durch eine rückwirkende Stundung nicht (BFH v. 08.07.2004, VII R 55/03, BStBl II 2005, 7; s. § 222 AO Rz. 19). Im Insolvenzverfahren kann das FA mit Forderungen aufrechnen, die vor Verfahrenseröffnung entstanden sind, ohne dass es deren vorheriger Festsetzung, Feststellung oder Anmeldung zur Insolvenztabelle bedarf (BFH v. 04.05.2004, VII R 45/03, BStBl II 2004, 815; BFH v. 04.02.2005, VII R 20/04, BFH/NV 2005, 942; BFH v. 31.05.2005, VII R 74/04, BFH/NV 2005, 1745). Zur Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis s. § 220 AO und die dortigen Erläuterungen.
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Unter der Prämisse, Aussetzung der Vollziehung (§§ 361 AO, 69 FGO) beseitige nicht die Fälligkeit des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis, sondern nur die Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts (so BVerwG v. 27.10.1982, 3 C 6.82, StRK AO 1977 § 226 R. 4; s. § 220 AO Rz. 7), hat der BFH früher die Auffassung vertreten, das FA könne mit einer von der Vollziehung ausgesetzten Steuerforderung gegen Erstattungsansprüche des Stpfl. aufrechnen (BFH v. 17.09.1987, VII R 50–51/86, BStBl II 1988, 366; BFH v. 14.11.2000, VII R 85/99, BStBl II 2001, 247). Zu Recht hat der BFH diese Position zwischenzeitli...