A. Bedeutung der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Leistungsgebot ist die an den Schuldner gerichtete Aufforderung zur Leistung, Duldung oder Unterlassung (§ 254 Abs. 1 Satz 1 AO). Der Regelungsinhalt des diese Aufforderung enthaltenden Verwaltungsakts erschöpft sich in dem "Befehl", eine bestimmte Leistung zu erbringen, zu der der Schuldner aufgrund eines anderen, die Leistungspflicht verbindlich festlegenden Verwaltungsakts oder (ausnahmsweise) aufgrund eines die Leistungspflicht ohne derartige gesonderte Festlegung zur Entstehung bringenden Tatbestands verpflichtet ist.
Tz. 2
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Die Bedeutung des Leistungsgebots liegt ausschließlich darin, dass es Voraussetzung für den Beginn der Zwangsvollstreckung ist, wobei zusätzlich erforderlich ist, dass seit dem Erlass des Leistungsgebots mindestens eine Woche verstrichen ist (Vollstreckungsschutzfrist). Insoweit ist die Wirkung des Leistungsgebots der Wirkung der Vollstreckungsklausel im Zivilprozess (§§ 724, 725 ZPO) ähnlich. Während aber die Vollstreckungsklausel die Existenz des mit ihr als vollstreckbar erklärten Titels und seine Vollstreckungsreife bezeugt, vermag das Leistungsgebot über die Wirksamkeit und Vollziehbarkeit des zu vollstreckenden Verwaltungsakts nichts auszusagen. Allerdings setzt die Zulässigkeit eines Leistungsgebots das (verfahrensrechtliche) Bestehen und die Fälligkeit des Anspruchs voraus, dessen Erfüllung mit dem Leistungsgebot vom Schuldner gefordert wird.
Tz. 3
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Das Leistungsgebot ist Vollstreckungsvoraussetzung, selbst aber noch kein Verwaltungsakt im Vollstreckungsverfahren (BFH v. 16.03.1995, VII S 39/92, BFH/NV 1995, 950). Vollstreckt wird nicht das Leistungsgebot, sondern der Verwaltungsakt (§ 249 Abs. 1 Satz 1 AO), der die Leistungsverpflichtung begründet oder festgestellt hat und der dem Erlass des Leistungsgebots entweder vorausgegangen oder mit dem es verbunden worden ist (§ 254 Abs. 1 Satz 2 AO). Letzteres ist regelmäßig der Fall (s. BFH v. 04.08.2006, VII B 251/05, BFH/NV 2006, 2227).
B. Tatbestandliche Voraussetzungen
I. Leistungsgebot als Vollstreckbarkeitsvoraussetzung
Tz. 4
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§ 254 Abs. 1 Satz 1 AO stellt den Grundsatz auf, dass die Vollstreckung erst beginnen darf, wenn die Leistung fällig ist und der Vollstreckungsschuldner zur Leistung, Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist und seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist.
Tz. 5
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Obwohl das Leistungsgebot selbstständiger Verwaltungsakt ist, kann und wird es in der Praxis regelmäßig mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden (§ 254 Abs. 1 Satz 2 AO; BFH v. 16.03.1995, VII S 39/92, BFH/NV 1995, 950). Seine Selbstständigkeit bleibt dadurch unberührt.
Tz. 6
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Soll gegen mehrere Gesamtschuldner vollstreckt werden, muss gegen jeden von ihnen ein Leistungsgebot ergehen. Ist die Leistung nicht aus dem eigenen Vermögen des Schuldners zu bewirken, sondern aus Mitteln, die seiner Verwaltung unterliegen (s. § 77 Abs. 1 AO), muss zur Bewirkung der Leistung aus diesen Mitteln aufgefordert werden. Die Aufteilung einer Gesamtschuld gem. §§ 268ff. AO führt zu einer Vollstreckungsbeschränkung. Ein zuvor an beide Ehegatten erlassenes Leistungsgebot wird durch die Aufteilung nicht dem Grunde nach, sondern nur der Höhe nach modifiziert (BFH v. 07.03.2006, VII R 12/05, BStBl II 2006, 584).
II. Inhalt und Form des Leistungsgebots
Tz. 7
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Das Leistungsgebot muss einen eindeutigen Inhalt haben (§ 119 Abs. 1 AO). Es muss den Schuldner, bei mehreren einen jeden von ihnen, sowie Gegenstand und Grund der Leistung bezeichnen und eine ausdrückliche Aufforderung enthalten, die Leistung zu bewirken. Soweit erforderlich und zweckmäßig, wird das Leistungsgebot auch eine Anweisung enthalten müssen, wo, wann und wie die Leistung zu bewirken ist, bei Geldleistungen z. B. durch Angabe des Kontos oder der Kasse (BFH 29.09.1976, I B 113/75, BStBl II 1977, 83; BFH v. 16.03.1995, VII S 39/92, BFH/NV 1995, 950).
Tz. 8
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Schriftform ist für das Leistungsgebot zwar nicht vorgeschrieben, aber die Regel. Sie empfiehlt sich grundsätzlich mit Rücksicht auf die Bedeutung des Leistungsgebots.
III. Entbehrlichkeit eines Leistungsgebots
Tz. 9
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Das Leistungsgebot ist entbehrlich, wenn der Vollstreckungsschuldner eine von ihm aufgrund einer Steueranmeldung geschuldete Leistung nicht erbracht hat (§ 254 Abs. 1 Satz 4 AO). Gleiches gilt, wenn der Steuer- oder Haftungsschuldner nach Abschluss einer Außenprüfung seine Zahlungsverpflichtung schriftlich anerkennt (§ 167 Abs. 1 Satz 3 AO). Bei abweichender Steuerfestsetzung (§ 167 Abs. 1 Satz 1 AO) ist ein Leistungsgebot hinsichtlich des Unterschiedsbetrags erforderlich. Will das FA gegen einen Rechtsnachfolger vollstrecken, ist auch nach einer Steueranmeldung durch den Rechtsvorgänger ein Leistungsgebot erforderlich (§ 254 Abs. 1 Satz 3 AO).
Tz. 10
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Ferner bedarf es keines Leistungsgebots, wenn Säumniszuschläge, Zinsen und Vollstreckungskosten zusammen mit der Steuer...