A. Bedeutung der Vorschrift
Rz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift zieht die Konsequenz aus der Tatsache, dass das Vollstreckungsverfahren ein eigenständiger Verfahrensabschnitt im Besteuerungsverfahren ist. Einwendungen gegen Maßnahmen anderer Verfahrensabschnitte, z. B. die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids im Steuerfestsetzungsverfahren betreffend, können im Einspruchs- bzw. Klageverfahren gegen Vollstreckungsmaßnahmen nicht geltend gemacht werden. Sie müssen im Einspruchs- bzw. Klageverfahren gegen den Steuerbescheid vorgebracht werden. Macht der Vollstreckungsschuldner aber geltend, der zu vollstreckende Steuerbescheid, z. B. ein Schätzbescheid, sei nicht nur rechtwidrig, sondern gar unwirksam (§§ 124 Abs. 3, 125 AO), schließt § 256 AO den Einwand im Vollstreckungsverfahren nicht aus, weil er unmittelbar den vollstreckbaren Anspruch betrifft (BFH v. 21.12.2001, VII R 24/01, BFH/NV 2002, 660).
Rz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Einwendungen gegen die Vollstreckung können neben dem Vollstreckungsschuldner auch durch die Art und Weise der Vollstreckung betroffene Dritte erheben. Vorzugsrechte, die das FA nicht anerkennt, können Dritte allerdings nur vor den ordentlichen Gerichten mit der Drittwiderspruchsklage bzw. der Klage auf vorzugsweise Befriedigung verfolgen (§§ 262, 293 AO; s. Abschn. 13 VollstrA).
Rz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Vor Beginn und nach Beendigung der Vollstreckung bzw. einzelner Zwangsvollstreckungsmaßnahmen besteht grundsätzlich keine Möglichkeit des Einspruchs (s. Loose in Tipke/Kruse, § 256 AO Rz. 12 f.). § 256 AO lässt nur Einsprüche gegen vollstreckbare Verwaltungsakte während des Vollstreckungsverfahrens zu. Ausgeschlossen sind damit auch Einsprüche gegen Maßnahmen der Vollstreckung, die keine Verwaltungsakte sind, z. B. gegen Mahnungen (§ 259 AO), innerdienstliche Vollstreckungsaufträge und Vollstreckungsersuchen (§ 250 AO).
Rz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Vollstreckungsschuldner kann sich auch nicht analog § 767 ZPO mit einer Vollstreckungsabwehrklage unmittelbar an das FG wenden, mit dem Antrag, die Unzulässigkeit der Vollstreckung durch das FA festzustellen (BFH v. 23.07.1996, VII R 88/94, BStBl II 1996, 511; BFH v. 01.08.2002, VII B 352/00, BFH/NV 2002, 1547).
B. Zulässige Einwendungen
Rz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Gegen Verwaltungsakte der Vollstreckungsbehörde kann der Vollstreckungsschuldner Einspruch einlegen und geltend machen, die Vollstreckung an sich oder die Art und Weise der Vollstreckung sei unzulässig, ferner, die Vollstreckungsbehörde verweigere zu Unrecht Vollstreckungsschutz (§§ 258, 297 AO; s. Abschn. 11 VollstrA).
Rz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Gegen die Vollstreckung an sich kann etwa geltend gemacht werden, dass die Vollstreckung mangels Leistungsgebots bzw. Nichtverstreichens der Wochenfrist (§ 254 Abs. 1 Satz 1 AO), wegen fehlender Vollstreckbarkeit des zu vollstreckenden Verwaltungsakts (§ 251 Abs. 1 AO) oder wegen nachträglich eingetretenen Erlöschens des Zahlungsanspruchs (§ 47 AO) bzw. Erfüllung der mit Zwangsmitteln (§ 328 Abs. 1 AO) durchsetzbaren Verpflichtung (s. § 335 AO) unzulässig sei. Noch nicht geklärt ist, ob die Beschränkung der Minderjährigenhaftung (§ 1629a BGB) gegen die Vollstreckung von Steuerschulden geltend gemacht werden kann, die auf Handlungen der Eltern oder sonstigen vertretungsberechtigten Personen beruhen (offen lassend BFH v. 01.07.2003, VIII R 45/01, BStBl II 2004, 35).
Rz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Einzelne Vollstreckungsmaßnahmen können z. B. unzulässig sein, wenn und soweit eine Überpfändung i. S. des § 281 Abs. 2 AO vorliegt, wenn sie unpfändbare Sachen oder Forderungen betreffen (§§ 295, 319 AO) oder auch Vollstreckungsmaßnahmen, die ohne entsprechende Erlaubnis zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen vorgenommen werden (§ 289 Abs. 1 AO).
Rz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Als besondere Rechtsbehelfe sind im Vollstreckungsverfahren zulässig: der Einspruch gegen die Entscheidung der Finanzbehörde gemäß § 251 Abs. 3 AO (Feststellung des Bestehens der Insolvenzforderung), der Einspruch gegen einen Aufteilungsbescheid bzw. dessen Ablehnung (§ 279 AO) und die ohne Vorverfahren zulässige Klage gegen einen vom FA angeordneten dinglichen Arrest (§ 324 AO i. V. m. § 45 Abs. 4 FGO).