Schrifttum
Szymczak, Aussetzung der Vollziehung von Steuerverwaltungsakten, NWB Fach 2, 8145;
Nommensen/Pinternagel/Söffing, Einschränkungen bei der Aussetzung der Vollziehung gemäß § 361 AO, DStR 1998, 70;
Birkenfeld, Beschränkung der Aussetzung der Vollziehung, DStZ 1999, 349;
Mack, Der Streit um die Aussetzung der Vollziehung, Steuerstreit und Steuerstrafverteidigung 1999, 37;
Bilsdorfer, Vollstreckungsschutz während eines laufenden Aussetzungsverfahrens, FR 2000, 708;
Haunhorst, Das gerichtliche Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden bei nachfolgender Einspruchsentscheidung, DStZ 2000, 325;
Mohl/Stähler, Aussetzung der Vollziehung (AdV) von Realsteuern gemäß § 361 AO, KStZ 2000, 163;
Pust, Aussetzung der Vollziehung unter Widerrufsvorbehalt, HFR 2000, 820;
Mack, Aussetzung der Vollziehung, AO-StB 2001, 85;
Becker, Vollstreckung trotz rechtmäßigem AdV – Antrag – Was tun?, Information StW 2002, 166;
Greite, Kindergeld und einstweiliger Rechtsschutz, FR 2002, 1320;
Stöcker, Umfang der Aussetzung der Vollziehung – Vorauszahlungen (f), AO-StB 2002, 140;
Seer, Aufgedrängte Aussetzung der Vollziehung, Ubg 2008, 249;
Matuszewski, Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung, AO-StB 2009, 216;
Spilker, Verfassungsrechtliche Grenzen für die Anordnung einer Sicherheitsleistung im steuerrechtlichen einstweiligen Rechtschutz, DStR 2010, 731.
A. Bedeutung der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Aussetzung der Vollziehung (AdV) nach § 361 AO gewährt dem Steuerpflichtigen vorläufigen Rechtsschutz gegen die Vollziehung von angefochtenen Verwaltungsakten, also solchen, die noch nicht in materieller Bestandskraft erwachsen sind. Dabei steht § 361 AO neben § 69 FGO, die einander hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen der AdV entsprechen. § 361 AO findet immer dann Anwendung, wenn noch keine finanzgerichtliche Klage anhängig ist. Ist die Klage anhängig, entscheidet die Finanzbehörde nach § 69 Abs. 2 FGO bzw. das Finanzgericht oder der BFH nach § 69 Abs. 3 FGO. Im Gegensatz zur Finanzbehörde kann gerichtliche AdV nur auf Antrag gewährt werden.
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
In Abgrenzung zu den Billigkeitsmaßnahmen der Stundung (§ 222 AO), dem Erlass (§ 227 AO) und der einstweiligen Einstellung der Vollstreckung (§ 258 AO), die erst bei materiell bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakten möglich sind, kann (und muss) im Verfahren über die AdV eine fehlende materielle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes noch gerügt werden. Wird die Aussetzung gewährt, schiebt sie die Fälligkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes hinaus (Rz. 46), mit der Folge, dass daneben eine Stundung oder ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr in Betracht kommt.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
vorläufig frei
B. Grundsatz des § 361 Abs. 1 AO
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
In § 361 Abs. 1 AO findet sich der Grundsatz, dass durch Einlegung des Einspruchs die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht gehemmt wird, insbes. die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten wird. Anders als im allgemeinen Verwaltungsrecht ist hier die sofortige Vollziehbarkeit eines noch nicht materiell bestandskräftigen Verwaltungsaktes die Regel, die erst bei Vorliegen besonderer Aussetzungsgründe durchbrochen wird (Rz. 29). Im Abgabenrecht wird die Vollziehbarkeit der Steuerverwaltungsakte erst dann suspendiert, wenn durch einen gesonderten Verwaltungsakt ihre Aussetzung angeordnet wird. Gleiches gilt auch bei einer Anfechtungsklage im finanzgerichtlichen Verfahren (§ 69 FGO Rz. 3). Dies entspricht im Übrigen auch der Regelung des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO für das allgemeine Verwaltungsrecht, sofern es um die Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten geht. Anders als im sonstigen Verwaltungsrecht hat der Gesetzgeber für das Abgabenrecht den Grundsatz vorgegeben, dass dort das öffentliche Interesse an der sofortigen Verwirklichung eines Verwaltungsaktes überwiegt.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Obsiegt der Einspruchsführer jedoch später, stellt sich dann also erst die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes heraus, auf dessen Grundlage der Adressat zunächst leisten musste, vermag die Rückgewähr der bereits erhobenen Abgabe oftmals nicht die durch die vorzeitige Leistung entstandenen Nachteile zu beheben. Dahingehend lässt § 361 Abs. 2 AO eine Interessenabwägung zu und gibt der Finanzbehörde das Rechtsinstitut der AdV in die Hand.
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
vorläufig frei
C. Vollziehung und Vollziehbarkeit
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vollziehung eines Steuerverwaltungsaktes ist die Verwirklichung seines Regelungsinhaltes (Verwirklichungstheorie, BFH v. 03.07.1995, GrS 3/93, BStBl II 1995, 730; Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 22; Birkenfeld in HHSp, § 361 AO Rz. 126). Damit ist die Vollziehung mehr als nur die Erhebung, Beitreibung oder sonstige zwangsweise Durchsetzung der Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes. Vollziehung tritt auch dann ein, wenn der Steuerpflichtige ein Leistungsgebot freiwillig befolgt oder mit einer festgesetzten Forderung aufgerechnet wird (Birkenfeld in HHSp, § 361 AO Rz. 129).