Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Schrifttum
Langrock/Samson, Steuergefährdung durch Verletzung der Aufzeichnungspflichten nach § 144 AO? DStR 2007, 700;
Gehm, Bußgeldbewehrung der Meldepflicht nach § 138 Abs. 2 AO, NWB 2012, 1072.
A. Begriff der Steuergefährdung
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift verlegt die Abwehr von Steuerverkürzungen durch einen besonderen Gefährdungstatbestand in das Stadium von Handlungen, die im Hinblick auf die Verkürzungsdelikte der §§ 370 und 378 AO zumeist straflose Vorbereitungshandlungen darstellen. Es handelt sich um eine zum selbstständigen Bußgeldtatbestand erhobene Vorbereitungshandlung zur vorsätzlichen bzw. leichtfertigen Steuerhinterziehung (OLG Celle v. 17.07.1979, 2 Ss (OWi) 313/78, MDR 1980, 77). Die durch § 379 Abs. 1 AO betroffenen Handlungen haben die Tendenz, dass sie zu Steuerverkürzungen führen. Diese Folge muss jedoch nicht eintreten, weil die Möglichkeit offenbleibt, dass sich der Handelnde bis zur Abgabe der Steuererklärung oder Entrichtung der Steuer eines Besseren besinnt oder aus anderen Gründen kein Steueranspruch entsteht. Dennoch bedeutet die Ausstellung falscher Belege bzw. die Nicht- oder Falschbuchung von Geschäftsvorfällen eine sanktionswürdige Gefährdung der Besteuerung. Wegen des rechtlichen Verhältnisses zu den Verkürzungstatbeständen s. Rz. 15 f.
B. Verletzung der Beleg- und Buchungswahrheit
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Eine Gefährdung der Besteuerung durch Verletzung der Beleg- und Buchungswahrheit erkennt das Gesetz in zweifacher Hinsicht, nämlich durch das Ausstellen unrichtiger Belege und das unrichtige Verbuchen von Geschäftsvorfällen. In beiden Fällen ist nur die vollendete Handlung mit Geldbuße bedroht.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Betroffen ist das Ausstellen von sachlich unrichtigen Belegen, d. h. von Rechnungen, Quittungen, Liefer- und Leistungsscheinen, Spesenabrechnungen, Schulderklärungen oder sonstigen Urkunden, die Aussagen über wirtschaftliche Vorgänge enthalten, jedoch zu den tatsächlichen Verhältnissen ganz oder teilweise in Widerspruch stehen (BGH v. 04.01.1989, 3 StR 415/88, wistra 1989, 190), sei es auch nur in nebensächlichen Punkten, wie der Angabe von Ort oder Datum. Die wirtschaftlichen Vorgänge müssen Gegenstand des rechtsgeschäftlichen Verkehrs mit Dritten oder des innerbetrieblichen Werteflusses sein (s. Rz. 7; s. und die Sondervorschrift des § 381 AO).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ordnungswidrig handelt derjenige, der den Beleg mit dem unrichtigen Inhalt versieht, sei es, dass er als Aussteller jemanden angibt, der in Wirklichkeit nicht der Aussteller ist (unechte Urkunde), sei es, dass er dem Beleg einen sachlich unrichtigen Inhalt gibt (falsche oder verfälschte Urkunde), sei es, dass beide Merkmale zusammentreffen. Täuscht der Aussteller über den Urheber der Urkunde, so liegt wegen des subsidiären Charakters des § 379 AO lediglich eine Urkundenfälschung vor (s. § 267 StGB; s. § 21 OWiG). Vollendet ist die Handlung mit der Ausstellung des unrichtigen Belegs und – erforderlichenfalls – seiner Aushändigung an denjenigen, der von ihm Gebrauch machen soll. Ob die Urkunde auch zu dem vorgesehenen Zweck genutzt wird, ist für den Tatbestand des § 379 Abs. 1 Nr. 1 AO bedeutungslos, ebenso wie die Frage, zu wessen Steuerverkürzung der falsche Beleg dienen kann. Eine falsche Spesenabrechnung führt regelmäßig zu einer eigenen, ein fingierter Darlehensschein oder ein unrichtiger USt-Ausweis auf einer Rechnung zu einer fremden Steuerverkürzung.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Verboten ist weiter das Nicht- oder Unrichtig-Verbuchen oder Verbuchen lassen von buchungs- oder aufzeichnungspflichtigen Geschäftsvorfällen oder Betriebsvorgängen. Durch die Vorschrift sind die Fälle lediglich unvollständiger Buchungen (z. B. fehlende Angaben nach § 143 Abs. 3 AO) nicht erfasst (AG Münster v. 15.10.1998, 14 OWi 44 Js 385/98, wistra 1999, 114). Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift scheitert am Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG bzw. an § 3 OWiG, es sei denn, die Unvollständigkeit führt zu einer Abweichung von der Wirklichkeit und damit zur unrichtigen Verbuchung (Jäger in JJR, § 379 AO Rz. 44).
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Verbuchungs- oder Aufzeichnungspflicht (s. §§ 140 bis 146 AO oder z. B. § 22 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 2, 5, 6, 7 UStG) muss sich auf Vorgänge des rechtsgeschäftlichen Liefer- oder Leistungsverkehrs des Unternehmers mit Dritten beziehen. Die Verbuchung oder Aufzeichnung muss sich auf die Höhe der Einnahmen oder Ausgaben bzw. den Umfang von Vermögenswerten oder Verbindlichkeiten auswirken. Verstöße gegen die Verbuchungspflicht liegen regelmäßig in den Fällen der so genannten OR-Geschäfte (Ohne-Rechnungs-Geschäfte) vor, d. h. von Lieferungen oder Leistungen, über die zur Absicherung der Nichtverbuchung Rechnungen oder sonstige Belege nicht erteilt werden.
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Betriebsvorgänge betreffen den Wertefluss innerhalb des Unternehmens (Betriebes) oder zwischen mehreren zu einem Unternehmen gehörigen Betrieben. Einen wichtigen Anwendungsfall bilden die aufgr...