Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Schrifttum
Meyer I., Erledigung von Steuerstrafverfahren außerhalb der Hauptverhandlung, DStR 2005, 1477; Hild, Zu divergierenden Entscheidungen in streitidentischen Straf- und Steuerverfahren, wistra 2016, 59.
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 398 AO ergänzt die Bestimmungen des § 153 Abs. 1 StPO über die Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft aus Opportunitätsgründen. Die Einstellung ist möglich in Fällen der Steuerhinterziehung (s. § 370 AO), einschl. der Hinterziehung gem. § 373 AO (Hellmann in HHSp, § 398 AO Rz. 17), der Steuerhehlerei (s. § 374 AO) und der Begünstigung (s. § 257 StGB) von Personen, die eines dieser Delikte begangen haben. Dabei wird auf die Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts verzichtet.
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Einstellungsbefugnis hat neben der Staatsanwaltschaft auch die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit im Sinne des § 386 AO (s. § 399 AO).
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Objektive Voraussetzung für die Einstellung des Strafverfahrens wegen Geringfügigkeit ist, dass die Tat nur eine geringwertige Steuerverkürzung (s. § 370 AO Rz. 22 ff.) zur Folge gehabt hat oder dass nur geringwertige Steuervorteile (s. § 370 AO Rz. 41 ff.) erlangt worden sind. Diese Kriterien sind in hohem Maße ausfüllungsbedürftig. Entscheidend ist regelmäßig der Umfang der eingetretenen Verkürzung bzw. der Geldwert des erlangten Steuervorteils. Das Merkmal der Geringwertigkeit ist absolut zu bestimmen. Das Verhältnis zwischen Verkürzungserfolg und der tatsächlich geschuldeten Steuer spielt keine Rolle. Zu den Beträgen lassen sich jedoch keine sichern Aussagen machen, da die Praxis sehr starke regionale Abweichungen aufweist. Im Schrifttum werden Beträge zwischen 50 und 1 000 Euro diskutiert (Joecks in JJR, § 398 AO Rz. 16 ff.; Hellmann in HHSp, § 398 AO Rz. 24). In der Praxis kann man aber auch beobachten, dass Einstellungen bei Beträgen von 1 500 Euro auf § 398 AO gestützt werden. Der Hinweis darauf, dass zu § 153 Abs. 1 Satz StPO die Wertgrenze bei 50 Euro gezogen wird, überzeugt nicht, denn dann wäre § 398 AO ohne eigene Bedeutung. Außerdem würde eine derart niedrige Grenze bewirken, dass nicht nur die Besteuerungsverfahren, sondern auch die bagatellisierten Steuerstrafverfahren zu Massenverfahren würden. Die Folge wäre, dass deutlich mehr Fälle aufgegriffen werden müssten – und zwar auch solche, die dann doch auf die eine oder andere Weise sanktionslos eingestellt würden. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und der Verfahrensökonomie spricht daher mehr dafür, die Grenze bei 1 000 Euro zu suchen.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Einstellung setzt ferner voraus, dass kein öffentliches Interesse an der Durchführung des Strafverfahrens besteht. Maßgeblich sind hierbei general- und spezialpräventive Erwägungen. Potentielle Täter sollen ebenso abgeschreckt werden, wie der Betroffene selbst von der Wiederholung der Tat. Besteht das öffentliche Interesse an der Verfolgung der Tat, so kann dies ggf. unter den Voraussetzungen des § 153a StPO beseitigt werden. Auch diese Einstellungsmöglichkeit steht den Finanzbehörden zur Verfügung (s. § 399 AO), jedoch ist abhängig vom Einzelfall die Zustimmung des Gerichts erforderlich (s. § 153a Abs. 1 Satz 7 i. V. m. § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO; zur Anfechtbarkeit der Auflagenerfüllung nach §§ 129ff. InsO s. BGH v. 05.06.2008, IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506).
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
In subjektiver Hinsicht muss die Schuld des Täters geringfügig sein. Geringfügigkeit liegt nur dann vor, wenn die Schuld des Täters deutlich hinter der Schuld anderer Täter in vergleichbaren Fällen zurückbleibt. Hier spielen die Beweggründe des Täters eine wesentliche Rolle. Eine geringe Schuld kann z. B. bei einem Irrtum des Beschuldigten gegeben sein oder wenn eine verunglückte Selbstanzeige vorliegt.
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Liegen die Voraussetzungen für die Verfahrenseinstellung bereits vor Einleitung des Verfahrens erkennbar vor, so kann m. E. auch von der Einleitung des Strafverfahrens abgesehen werden. Das folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel.