Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zwischen der öffentlich-rechtlichen Aufgabe des Steuerberaters, zu der "richtigen" Erhebung der Steuer beizutragen, und seiner privatrechtlichen Verpflichtung gegenüber dem Auftraggeber, dessen Steuerlast nach Möglichkeit zu verringern, können sich Kollisionen ergeben. Soweit diese zu einem strafbaren Verhalten des Berufsträgers führen, müssen die Finanzbehörden das Verfahren nach dem im Strafverfahren geltenden Legalitätsprinzip betreiben. Soweit sie aber dem Berufsträger lediglich eine Steuerordnungswidrigkeit vorhalten, hat die Finanzbehörde die zuständigen Berufskammern anzuhören, bevor sie einen Bußgeldbescheid erlässt. Auf diese Weise soll der einschlägige Sachverstand der Berufskammern nutzbar gemacht werden. Die Abwägung zwischen den Verpflichtungen des Berufsträgers gegenüber seinem Auftraggeber einerseits und der öffentlich-rechtlichen Verantwortlichkeit des Berufsträgers im Interesse der richtigen Steuererhebung andererseits, kann ein Verhalten aus der Sicht der Standesauffassung, über welche die Berufskammern zu wachen haben, in einem anderen Licht erscheinen lassen als aus der Sicht der Finanzbehörden. Die vorgesehene Anhörung der Berufskammern stellt eine Maßnahme dar, die das gegenseitige Verständnis zwischen der Finanzverwaltung und den Berufsvertretungen fördert, unnötigen Verhärtungen vorbeugt und zu einer Verbesserung der Steuerrechtspflege beitragen kann. In diesem Sinn dient das Ergebnis der Anhörung als Grundlage der nach § 47 OWiG zu treffenden Opportunitätsentscheidung, ob die Ordnungswidrigkeit des Berufsträgers verfolgt werden soll (s. § 191 Abs. 2 AO für den Fall der Haftung).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Eine unterlassene Anhörung berührt die Wirksamkeit eines ergangenen Bußgeldbescheides nicht. Sie kann im Rechtsbehelfsverfahren nachgeholt werden.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Auf das Bußgeldverfahren derGerichte findet die Regelung des § 411 AO keine Anwendung, was das Gericht jedoch nicht hindert, aus eigenem Entschluss eine Stellungnahme der Berufskammer beizuziehen, insbes. wenn die Anhörung durch die Behörde unterlassen wurde.