Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift regelt die dingliche Haftung (Sachhaftung) verbrauchsteuerpflichtiger Erzeugnisse und zollpflichtiger Waren. Das dingliche Recht entsteht und besteht ohne Rücksicht auf dingliche Rechte Dritter (Besitzrecht, Eigentum, Pfandrecht, Sicherungseigentum). Auch der gutgläubige Erwerber muss dem Befriedigungsrecht des Steuergläubigers weichen.
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 17 Abs. 2 Satz 6 TabakStG gilt für noch nicht an Kleinverkaufspackungen angebrachte Steuerzeichen § 76 AO sinngemäß.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 76 Abs. 2 AO entsteht die Sachhaftung, wenn nichts anderes vorgeschrieben ist, bei einfuhr- und ausfuhrabgaben- oder verbrauchsteuerpflichtigen Waren mit dem Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes. Bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren entsteht sie auch mit dem Beginn ihrer Gewinnung oder Herstellung. Die Haftung entsteht somit u. U. bereits vor Entstehung der Steuerschuld (Mösbauer, DStZ 1987, 399 m. w. N.). Das bedeutet jedoch nur, dass die unfertigen Erzeugnisse als dingliche Sicherheitsträger gebunden sind, während das dingliche Verwertungsrecht mit der Festsetzung der entstandenen Steuer aktualisiert wird.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Verwirklichung der Haftung wird durch die Beschlagnahme (§ 76 Abs. 3 AO) eingeleitet – nicht durch Haftungsbescheid. Die Verwertung der beschlagnahmten Gegenstände erfolgt gem. § 327 i. V. m. § 296 Abs. 1 AO durch öffentliche Versteigerung. Unter Beschlagnahme ist die tatsächliche Sicherstellung zu verstehen. Sie erfolgt z. B. dadurch, dass die Finanzbehörde die Sachen in Gewahrsam nimmt. Nach § 76 Abs. 3 Satz 2 AO genügt jedoch auch das Verbot an den, der die Waren in Gewahrsam hat, über sie zu verfügen. Da Rechte Dritter nach § 76 Abs. 1 AO die Sachhaftung nicht berühren, betrifft dieses Verfügungsverbot nur tatsächliche Verfügungen, die geeignet sind, den späteren tatsächlichen Zugriff zum Zweck der Verwertung zu vereiteln, nicht jedoch rein rechtliche Verfügungen.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Beschlagnahme ist ein Verwaltungsakt, gegen den der Einspruch gegeben ist. Zuständige Finanzbehörde ist das Hauptzollamt, nicht das Zollfahndungsamt (BFH v. 26.07.1988, VII R 194/85, BStBl II 1989, 3). Schon mit Rücksicht auf § 76 Abs. 4 Satz 2 AO kommt vorläufiger Rechtsschutz i. S. der Aufhebung der Beschlagnahme nicht in Betracht (BFH v. 18.11.1986, VII B 59–60/86, BFH/NV 1987, 485).
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 76 Abs. 4 AO erlischt die Sachhaftung, wenn die Steuerschuld erlischt (s. § 47 AO), mit der Aufhebung der Beschlagnahme i. S. von § 76 Abs. 3 AO oder dadurch, dass die Waren mit Zustimmung der Finanzbehörde in einen steuerlich nicht beschränkten Verkehr übergehen. Die Zustimmung der Finanzbehörde ist zu unterstellen, wenn sämtliche einschlägigen Vorschriften im Zusammenhang mit dem Übergang erfüllt werden. Im Übrigen lässt das In-den-Verkehr-Bringen die Sachhaftung unberührt. Der gutgläubige Erwerber ist nicht geschützt. Die entsprechenden bürgerlich-rechtlichen Vorschriften gelten nicht für die öffentlich-rechtliche Sachhaftung.
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Beschlagnahme und Verwertung sind Ermessensentscheidungen (s. § 5 AO). Unter den Voraussetzungen des § 76 Abs. 5 AO ist die Geltendmachung der Sachhaftung unzulässig.