Karl Blesinger, Dr. Andreas Viertelhausen
A. Bedeutung der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift befasst sich nur mit der Frage, wem formell Beteiligteneigenschaft zukommt, klärt aber nicht die Frage der Beteiligtenfähigkeit. Diese richtet sich nach der über die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit hinausgehende Steuerrechtsfähigkeit (s. § 33 AO Rz. 15 ff.).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zu beachten ist, dass sowohl für das Zerlegungsverfahren (s. § 186 AO) als auch für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren (s. § 359 AO) ein eigenständiger Beteiligtenbegriff gilt. Damit ist § 78 AO nur für das übrige Steuerverwaltungsverfahren maßgeblich (BFH v. 28.03.1979, I B 79/78, BStBl II 1979, 538).
B. Bedeutung der Begriffsbestimmung
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Begriffsbestimmung hat überall dort besondere Bedeutung, wo der Gesetzgeber unterschiedliche Regelungen für Beteiligte einerseits und dritte Personen andererseits getroffen hat. Dies trifft insbes. auf die §§ 80ff. AO zu, wo vor allem bei den das Steuerermittlungsverfahren betreffenden Bestimmungen deutlich zwischen den Rechten und Pflichten der Beteiligten und Dritter differenziert wird (s. §§ 93 bis 107 AO).
C. Antragsteller und Antragsgegner
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 78 Nr. 1 AO bezeichnet als Beteiligte den Antragsteller und Antragsgegner. Da die Antragsstellung bei der Finanzbehörde ohnehin einen positiven oder negativen Bescheid in Form eines Verwaltungsakts gegenüber dem Antragsteller auslöst, trifft insoweit auch die § 78 Nr. 2 AO zu. Die Regelung hat somit nur dann eine eigenständige Bedeutung, wenn die Behörde – aus welchen Gründen auch immer – den Antrag nicht förmlich bescheidet. Die Einbeziehung des Antragsgegners hat im Steuerrecht keine Bedeutung. Die Finanzbehörde selbst ist nicht Antragsgegner, sie entscheidet über den Antrag.
D. Adressat eines Verwaltungsakts
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 78 Nr. 2 AO hat von den Regelungen des § 78 AO die größte Bedeutung. Hiernach sind diejenigen Beteiligte, an die die Finanzbehörde einen Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat. In dem Augenblick, in dem im internen Behördenbereich ein steuerliches Verwaltungsverfahren, das Wirkungen nach außen haben soll, in Gang gesetzt wird, tritt die Unterscheidung zwischen den Beteiligten und Dritten hervor. Jeder steuerlich relevante Sachverhalt, der von der Finanzbehörde zur Kenntnis genommen wird, hat personenbezogene Merkmale. Beteiligter ist in erster Linie der Steuerpflichtige i. S. des § 33 Abs. 1 AO. Werden von ihm Auskünfte nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO gefordert, so muss er sie als Beteiligter erteilen. Werden in derselben Steuersache andere Personen befragt, geschieht dies in deren Eigenschaft als Nichtbeteiligte (Dritte) in der den Steuerpflichtigen betreffenden Steuersache. Andererseits ist der befragte Dritte selbst Beteiligterin dem ihn betreffenden Auskunftsverfahren. An ihn wird im Sinne der § 78 Nr. 2 AO der Verwaltungsakt (das Auskunftsersuchen) gerichtet. Wird gegen ihn zur Durchsetzung seiner Auskunftspflicht gem. §§ 328ff. AO vollstreckt, ist er wiederum Beteiligter dieses Vollstreckungsverfahrens.
E. Vertragspartner eines öffentlich-rechtlichen Vertrags
Tz. 6
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 78 Nr. 3 AO nennt als Beteiligte diejenigen, mit denen die Finanzbehörde einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen will oder geschlossen hat. Öffentlich-rechtliche Verträge sind dem Steuerrecht grundsätzlich fremd (zur Frage, ob es sich um ein Redaktionsversehen handelt s. BFH v. 11.12.1984, VII R 131/76, BStBl II 1985, 354, 357). Eine gesetzliche Ausnahme bildet § 224a AO. Die Finanzverwaltung ist innerhalb ihres besonderen hoheitlichen Kompetenzbereichs durch Gesetz zur einseitig ordnenden Regelung der aus den Lebenssachverhalten resultierenden Steuerrechtsverhältnisse gezwungen. Im Steuerrecht muss die Behörde die öffentlich-rechtlichen Maßnahmen in Form von Verwaltungsakten treffen.
Tz. 7
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag liegt nur vor, wenn durch ihn ein Rechtsverhältnis begründet wird, das seinerseits dem öffentlichen Recht zuzurechnen ist (s. § 54 Satz 1 VwVfG). Die aus ihm entspringenden Rechte und Pflichten dürfen daher nicht solche des Zivilrechts sein. Anders ausgedrückt: Das durch den Vertrag begründete Rechtsverhältnis müsste in gleicher Weise auch durch einen Verwaltungsakt gestaltet werden können (s. § 54 Satz 2 VwVfG).
Tz. 8
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Eine Regelung des öffentlich-rechtlichen Steuerschuldverhältnisses durch vertragliche Vereinbarungen ("Steuervereinbarung") oder durch Vergleich (s. § 779 BGB) zwischen dem Steuerschuldner und der Finanzverwaltung bzw. der ertragsberechtigten Körperschaft des öffentlichen Rechts ist in der AO nur in § 224a AO und im Übrigen auch nicht in den Einzelsteuergesetzen vorgesehen (zur Problematik der tatsächlichen Verständigung s. vor § 204 AO Rz. 15 ff.). Solche Regelungen widersprechen dem Charakter des Steuerschuldverhältnisses (s. § 38 AO Rz. 1 f.). Die Festsetzung und Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis hat zwingend durch Verwaltungsakt zu erfolgen. Nur Verwaltungsakte dienen als Grundlage fü...