Schrifttum
Ondracek, Zum Gleichmaß der Besteuerung, FS W. Ritter 1997, 227;
Seer, Möglichkeit und Grenzen eines "maßvollen" Gesetzesvollzugs, FR 1997, 1189;
Tipke, Steuerliche Ungleichbehandlung durch einkunfts- und vermögensartdifferente Bemessungsgrundlagenermittlung und Sachverhaltsverifizierung, FS Kruse, 2001, 215;
Huber/Seer, Steuerverwaltung im 21. Jahrhundert: Risikomanagement und Compliance, StuW 2007, 355;
Pezzer, Gleichmäßiger Gesetzesvollzug in der Steuerrechtsordnung, StuW 2007, 101;
Welling, 21. Berliner Steuergespräch: Reform des Steuervollzugs, FR 2007, 261;
Nagel/Waza, Risikomanagement beim Steuervollzug – ein Weg aus der Krise!, DStZ 2008, 321;
Haunhorst, Risikomanagement in der Finanzverwaltung – ein Fall für die Finanzgerichte?, DStR 2010, 2105;
Drüen, Kooperation im Besteuerungsverfahren, FR 2011, 101;
Schmidt/Schmitt, Risikomanagement – Zaubermittel oder Bankrotterklärung der Verwaltung. FS Spindler 2011, 529;
Hardeck, Kooperative Compliance Programme zwischen Finanzverwaltungen und Unternehmen, StuW 2013, 156;
Eckhoff, Gleichmäßigkeit der Besteuerung, FS Kirchhof 2013, 1601;
Münch, Finanzbehördliches Risikomanagement im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung, DStR 2013, 212.
Seer/Sell/Schwab/Anzinger, Selbstveranlagung – Wegfall des Amtsermittlungsgrundsatzes, Berlin, 2014;
Krüger, Die tatsächliche Verständigung: als "Ding an sich" ein "Unding in sich"?, DStZ 2015, 478;
See, Modernisierung des Besteuerungsverfahrens, StuW 2015, 315;
Baldauf, Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens – Kritische Betrachtung des Regierungsentwurfs, DStR 2016, 833;
Zaumseil, Die Modernisierung des Besteuerungsverfahrens, NJW 2016, 2769;
Westermann, Mediation im außergerichtlichen Besteuerungsverfahren, Stbg 2017, 27.
A. Bedeutung der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Vorschrift knüpft an den in Art. 108 GG den Finanzbehörden erteilten Auftrag zur Verwaltung der Steuern an und stellt dabei besonders die Grundsätze der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit bei der Steuerfestsetzung und -erhebung in den Vordergrund. Sie ist als allgemeine Aufgabennorm und allgemeine Verfahrensvorschrift (Seer in Tipke/Kruse, § 85 AO Rz. 5) für das gesamte Besteuerungsverfahren maßgeblich.
B. Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Steuererhebung
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden. Entsprechend haben die Finanzbehörden die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Ohne Ansehung der Person haben sie die hierzu notwendigen gebundenen Verwaltungsakte (s. § 118 AO Rz. 10) gesetzestreu zu erlassen und – soweit ihnen das Gesetz einen Ermessensspielraum einräumt – von ihrem Ermessen einen gesetzmäßigen Gebrauch zu machen (s. § 5 AO Rz. 3). So wie schon der Steuerbegriff an den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit ausgerichtet ist (s. § 3 AO Rz. 12), muss sich die Finanzbehörde beim Vollzug der Steuergesetze diese Grundsätze zu eigen machen. Als wichtigster Grundsatz beeinflussen sie die in den Einzelsteuergesetzen und vor allem in der AO geregelten allgemeinen Rechte und Pflichten der Finanzbehörden, Steuerpflichtigen und ggf. auch Dritter.
C. Konkretisierung der Besteuerungsgrundsätze
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 85 Satz 2 AO konkretisiert die Aufgaben der Finanzbehörden dahingehend, dass sie sicherzustellen haben, dass Steuern weder verkürzt noch zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen oder -vergütungen weder zu Unrecht gewährt noch versagt werden. Darin kommt zum Ausdruck, dass die Tätigkeit der Finanzverwaltung nicht primär das Ziel hat, ein möglichst hohes Steueraufkommen zu sichern, sondern der Erreichung einer gleichmäßigen und gesetzmäßigen Steuererhebung dienen soll (Rechtsanwendungsgleichheit). Die Finanzbehörden sind damit nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die wegen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes entstandenen Steueransprüche festzusetzen und zu erheben. Die Finanzbehörden haben die Besteuerungsgrundlagen in strikter Legalität umzusetzen, um die verfassungsrechtlich geschützte Besteuerungsgleichheit zu gewährleisten (BFH v. 28.11.2016, GrS 1/15, BStBl II 2017, 393). Die Besteuerungswirklichkeit wird diesem Postulat jedoch oft nicht gerecht. Dies hat seine Ursache zum einen darin, weil es sich um Massenfallrecht handelt, bei dem eine umfassende Sachverhaltsprüfung nicht zuletzt wegen der Kompliziertheit des Steuerrechts kaum möglich ist, zum anderen aber auch deshalb, weil die FinVerw. in einer Vielzahl von Fällen vollständig auf Nachprüfungen verzichtet. Diese sog. gewichtende oder als Risikomanagement bezeichnete Arbeitsweise gewährleistet eine gleichmäßige Besteuerung nicht mehr. Eine extreme Verletzung der Rechtsanwendungsgleichheit kann zur Verfassungswidrigkeit des Steuereingriffs führen (BVerfG v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BStBl II 1991, 654, sog. Zinsurteil; BVerfG v. 16.03.2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268). Daran ändert auch die gesetzliche Verankerung der Zulässigkeit von Risikomanagementsystemen in § 88 Abs. 5 AO nichts. Denn auch beim Einsatz der Risikomanagementsysteme müs...