Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die im Zuge der Modernisierung des Besteuerungsverfahrens neu in das Gesetz eingefügte Regelung ermöglicht einen weitreichenden Datenaustausch von für Besteuerungszwecke gespeicherten Daten zwischen den Landesfinanzbehörden. Die Vorschrift soll der automationsgestützten Verhinderung und Bekämpfung von Steuerverkürzungen dienen (BT-Drs. 18/8434, 109). Der Datenaustausch erfasst ausdrücklich auch die Daten, die durch § 30 AO geschützt sind. Auch angesichts des weiten Anwendungsspielraums und der dem Gesetzeswortlaut nach anlasslosen Bereitstellung der Daten dürfte das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht verletzt sein (Seer in Tipke/Kruse, § 88b Rz. 2; a. A. Gläser/Schöllhorn, DStR 2016, 1577; Beckmann, DStR 2017, 971). Insoweit überwiegt das Interesse der Allgemeinheit und die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates, die Steuern gleichmäßig festzusetzen und zu erheben, das Interesse des Einzelnen an der Nichtweitergabe der Daten. Dies gilt umso mehr, als der föderale Staatsaufbau mit den damit verbundenen Zuständigkeiten der Landesfinanzverwaltungen in den Besteuerungsverfahren im zunehmend elektronisch geführten Verfahren ohne Datenaustausch einen effektiven Gesetzesvollzug zumindest erschweren würde. Gegen einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung spricht zudem, dass die Norm nur den Austausch zwischen den Finanzbehörden der Länder betrifft, die ihrerseits zur Einhaltung des Steuergeheimnisses verpflichtet sind.
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Norm betrifft nur bereits gespeicherte Daten. Sie ist keine Rechtsgrundlage zu Erhebung neuer Daten.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 88b Abs. 1 AO müssen die Daten zum Zwecke eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen, eines Strafverfahrens wegen einer Steuerstraftat oder wegen eines Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit gespeichert worden sein. Damit umfasst die Norm de facto sämtliche in einem Besteuerungsverfahren erhobene Daten. Es kommt weder auf die Steuerart noch auf die Bedeutung des Steuerfalles an. Die Daten dürfen zum gegenseitigen Datenabruf bereitgestellt werden, die Zuständigkeit dafür richtet sich nach Abs. 3. Der Datenabruf erfolgt ausschließlich im automatisierten Verfahren durch Datenabgleich. Der Zugriff durch die abrufende Finanzbehörde ist zweckgebunden. Er muss der Verhütung, Ermittlung oder Verfolgung der in Nr. 1 bis 3 genannten Steuerverkürzungen dienen. Der Begriff der Steuerverkürzung ist dabei nicht im steuerstrafrechtlichen Sinne zu verstehen. Es reicht jede Abweichung vom gesetzlich entstandenen Steueranspruch aus. Es sind also ausschließlich objektive Maßstäbe zu beachten. Subjektive Elemente wie Vorsatz, Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit sind nicht zu beachten. Während es bei dem Abruf im länderübergreifenden und internationalen Bereich nicht auf den Umfang der Verkürzung ankommt, ist der Abruf im Übrigen auf Steuerverkürzungen erheblicher Bedeutung beschränkt. Damit können nur Verkürzungen gemeint sein, die sich nur innerhalb eines Landes auswirken. Damit soll in Bagatellfällen ein Abruf unterbleiben. Zulässig ist im Wege des Datenabgleichs sowohl die Überprüfung und Verwendung als auch die Speicherung der Daten durch die abrufende Finanzbehörde. Die Daten können also wie Kontrollmitteilungen zur "elektronischen Steuerakte" einzelner Besteuerungsverfahren genommen werden.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 88b Abs. 2 AO stellt klar, dass die Auswertungsergebnisse elektronisch zur Verfügung zu stellen sind.
Tz. 5
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 88b Abs. 3 AO bestimmen die Landesregierungen durch RechtsVO, welche Finanzbehörden auf Landesebene für die in Abs. 1 und 2 genannten Tätigkeiten zuständig sind. Eine Übertragung auf die obersten Landesbehörden ist möglich. Für den Bund bedurfte es einer RechtsVO nicht, da sich die Zuständigkeit des BZSt aus § 5 Abs. 1 Nr. 28 FVG ergibt (BT-Drs. 18/8434, 109).