Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Das Beweismittel der Einnahme des Augenscheins ist als eines der klassischen Beweismittel in § 92 Nr. 4 AO aufgeführt. Die Inaugenscheinnahme ist in allen Stadien des Besteuerungsverfahrens möglich; insbes. kann auch die Steuerfahndung von diesem Mittel Gebrauch machen, soweit sich ihre Ermittlungsbefugnis nach den Vorschriften der AO richtet (FG Köln v. 22.09.2016, 13 K 66/13, EFG 2017, 101). Die Einnahme des Augenscheins dient vor allem dazu, den Zustand von Sachen, insbes. Grundstücken (Gebäuden), für steuerliche Zwecke festzustellen. So wird die Finanzbehörde z. B. die tatsächlichen Voraussetzungen für die Ansetzung eines Zu- oder Abschlags im Rahmen der Einheitsbewertung des Grundbesitzes am zuverlässigsten im Wege des Augenscheins feststellen können. Desgleichen wird die Eigenschaft eines Kraftfahrzeuges als Sonderfahrzeug i. S. des KraftStG am besten durch Augenschein zu überprüfen sein. Die Abgrenzung zwischen Betriebsvorrichtungen und Gebäudebestandteilen wird häufig die Einnahme eines Augenscheins unter evtl. Zuziehung eines Sachverständigen und gleichzeitiger Einsicht in vorhandene Planunterlagen erforderlich machen. Anders als der Wortlaut suggeriert, ist der Augenschein nicht nur auf Besichtigungen beschränkt; auch andere Wahrnehmungen durch (menschliche) Sinnesorgane (z. B. Riechen, Schmecken, Hören) können Gegenstand des Augenscheins sein (Kobor in BeckAOOK, § 98 Rz. 6). Der Augenschein kann sowohl an Amtsstelle als auch im Rahmen einer auswärtigen Beweisaufnahme genommen werden. Die Entscheidung, ob und ggf. wo eine Inaugenscheinnahme erfolgt, steht im Ermessen des FA.

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Für die Einnahme des Augenscheins enthalten die §§ 99 und 100 AO zusätzliche ergänzende Regelungen, insbes. hinsichtlich der Zulässigkeit des Betretens von Grundstücken und Räumen und der Vorlagepflicht in Bezug auf Wertsachen.

 

Tz. 3

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Das Ergebnis der Einnahme des Augenscheins muss in den Akten, darunter fallen auch in elektronischer Form geführte Vorgänge, festgehalten werden (§ 98 Abs. 1 AO). Hierfür ist ausreichend, wenn in einem Aktenvermerk die steuerlich relevanten tatsächlichen Wahrnehmungen kurz niedergelegt werden. Nur diese Wahrnehmungen durch die Sinnesorgane der den Augenschein einnehmenden Amtsträger stellen das Ergebnis des Augenscheins dar; nicht dagegen die an dieses Ergebnis anknüpfende rechtliche Subsumtion. Anlässlich des Augenscheins dürfen auch Fotografien und andere technische Dokumentationen angefertigt werden, denn die Protokollierung soll möglichst umfassend den gewonnenen Eindruck abbilden.

Wenn auch über den Zeitpunkt der Anfertigung des diesbezüglichen Aktenvermerks ausdrückliche Vorschriften fehlen, erfordert das Gebot einer ordnungsgemäßen und zuverlässigen Beweisaufnahme doch eine zeitnahe Aufzeichnung.

 

Tz. 4

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Nach § 98 Abs. 2 AO können bei der Einnahme des Augenscheins Sachverständige hinzugezogen werden. Sofern die Finanzbehörde von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, muss sie gem. § 96 AO zunächst einen Sachverständigen zuzuziehen. Unter Umständen wird der Gutachter durch mündliche Erläuterungen (§ 96 Abs. 7 Satz 2 AO) die bei der Augenscheinseinnahme getroffenen Feststellungen aufgrund seines Fachwissens ordnen, bereinigen und erläutern können.

 

Tz. 5

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Angeordnet wird die Augenscheinseinnahme durch rechtsbehelfsfähigen Verwaltungsakt, sodass der Einspruch gegeben ist.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?


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