Katharina Wagner, Dr. Klaus J. Wagner
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ein sog. Ergänzungsurteil kann ergehen, wenn das Urteil einen nach dem Tatbestand feststehenden Teil des Streites (Anträge der Beteiligten) nicht erledigt hat (BFH v. 21.08.2008, VII B 117/08, BFH/NV 2008, 2035), desgl. wenn die Kostenentscheidung fehlt. Die Urteilsergänzung dient – wie die Tatbestandsberichtigung des § 108 FGO – der Ersparung unnötiger Rechtszüge und damit der Verfahrensökonomie. In der Praxis spielt das Ergänzungsurteil fast keine Rolle. Wurde beim Finanzgericht keine Zulassung der Revision beantragt, so kann sie nicht nachträglich über einen Antrag auf Urteilsergänzung (§ 109 FGO) erreicht werden, weil das FG ohnehin von Amt wegen über die Revisionszulassung entscheiden muss (BFH v. 08.05.1968, I B 9/68, BStBl II 1968, 585). Liegen die Voraussetzungen des § 109 FGO vor, geht der Rechtsbehelf des § 109 FGO der NZB vor (BFH v. 26.06.2013, X B 244/12, BFH/NV 2013, 1578). Ergibt sich die übergangene Antragstellung nicht aus dem Tatbestand des Urteils oder dem Sitzungsprotokoll, ist zuvor Tatbestandsberichtigung nach § 108 FGO erforderlich (BFH v. 19.02.2016, X S 38/15, BFH/NV 2016, 940). Antrag i. S. der Vorschrift ist dasjenige Begehren eines Beteiligten, das sich auf eine bestimmte Rechtsfolge bezieht (BFH v. 20.09.1989, X R 1/84, BFH/NV 1990, 513).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ob das Urteil ergänzungsbedürftig und damit ergänzbar ist, muss ggf. aus dem Urteilstenor unter Heranziehung der Urteilsgründe festgestellt werden. Dabei ist jedoch die Vorrangigkeit des Urteilstenors zu beachten, sodass ein umfassender Entscheidungsausspruch (z. B. "Die Klage wird abgewiesen") nicht mit Rücksicht auf die Urteilsgründe als ergänzungsbedürftig beurteilt werden kann. Ebenso wenig kann in einem solchen Fall von einem "stillschweigenden Teilurteil" (§ 98 FGO) ausgegangen werden. Vielmehr ist dann das Urteil u. U. widersprüchlich und gem. § 119 Nr. 6 FGO (beachte auch § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO) aufzuheben.
Ausdrücklich erwähnt ist die Ergänzung des Urteils, wenn eine Kostenfolge übergangen wurde, also z. B. nicht über die Kostentragungspflicht des Beigeladenen (§ 135 Abs. 3 FGO; dazu BFH v. 29.05.2009, IV B 143/08, BFH/NV 2009, 1452) oder über die Erstattungsfähigkeit seiner außergerichtlichen Kosten entschieden wurde (§ 139 Abs. 4 FGO). Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO) fällt nicht in den Anwendungsbereich von § 109 FGO, sondern es ergeht – sofern nicht im Tenor enthalten – durch besonderen Beschluss. Ergänzt werden kann das Urteil um den Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Übergangen ist ein Antrag nur, wenn er übersehen wurde, also versehentlich unberücksichtigt blieb, nicht aber wenn er rechtsirrtümlich nicht abgehandelt wurde (BFH v. 11.03.2004, VII R 20/01, BFH/NV 2004, 1305). Ein Übergehen liegt auch dann nicht vor, wenn das Gericht einen Antrag bewusst nicht behandelt oder – z. B. in den Entscheidungsgründen – abgelehnt hat.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Erforderlich ist ein Antrag eines Beteiligten, der binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils gestellt werden muss. Das Gericht entscheidet durch Ergänzungsurteil aufgrund mündlicher Verhandlung. Ein im Hauptverfahren wirksam erklärtes Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO) wirkt auch für das Ergänzungsverfahren. Gleiches gilt für die Einverständniserklärung, dass der Berichterstatter als konsentierter Einzelrichter entscheiden kann (§ 79a Abs. 3, 4 FGO). Die Richterbank braucht nicht dieselbe wie im Hauptverfahren zu sein; die Besetzung kann gewechselt haben. An dem zugrunde liegenden Urteil kann nichts geändert werden, das Verfahren beschränkt sich auf den noch nicht erledigten Teil des Streites bzw. die noch ausstehende Kostenentscheidung. Die Entscheidung über einen Antrag auf nachträgliche Ergänzung eines Beschlusses nach § 109 FGO ergeht gerichtsgebührenfrei (BFH v. 04.08.2014, VII R 28/13, BFH/NV 2014, 1771). Das Ergänzungsurteil ist nach h. M. selbstständig anfechtbar (Brandis in Tipke/Kruse, § 109 FGO Rz. 7). Werden sowohl gegen das ergänzte Urteil als auch gegen das Ergänzungsurteil Rechtsmittel (NZB, Revision) eingelegt, sind gleichartige Rechtsmittel miteinander zu verbinden (BFH v. 07.06.2011, IX R 51/10, IX R 60/10, BFH/NV 2011, 1530). Bezieht sich das Ergänzungsurteil nur auf die Kostenfolge, ist eine isolierte Anfechtung wegen § 145 FGO ausgeschlossen, es sei denn, es wird eingewendet, dass das Ergänzungsurteil aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht hätte ergehen dürfen (BFH v. 12.04.1972, I R 123/71, BStBl II 1972, 770). Eine Entscheidung des Finanzgerichts, mit der ein Antrag auf Urteilsergänzung abgelehnt wird, bleibt ohne Einfluss auf den Lauf der Rechtsmittelfrist (BFH v. 24.01.1979, II R 108/77, BStBl II 1979, 373). Ist ein Antrag auf Ergänzung eines BFH-Urteils offensichtlich unzulässig, kann der Antrag analog zu ...