Schrifttum

von Wedelstädt, Quo vadis praeclusio – Die Rechtsprechung der Finanzgerichte zu § 364b AO, DB 1998, 2188.

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 137 Satz 1 FGO erlaubt es, die Kosten abweichend von §§ 135 Abs. 1, 136 FGO dem in der Sache obsiegenden Beteiligten aufzuerlegen, wenn dieser die für seinen Prozesserfolg maßgebenden Tatsachen verspätet geltend gemacht oder unter Beweis gestellt hat, obwohl er dies früher, also bereits während des Verwaltungsverfahrens (einschließlich des Einspruchsverfahrens) hätte tun können und sollen. Die Vorschrift soll der Prozessverschleppung und der Stellung mutwilliger oder unüberlegter Verfahrensanträge vorbeugen. Voraussetzung für eine solche vom Grundsatz der §§ 135, 136 FGO abweichende Kostenentscheidung ist jedoch, dass der Beteiligte vorwerfbar, also schuldhaft gehandelt hat und dieses Verhalten kausal war (BFH v. 18.08.2009, X R 22/07, BFH/NV 2010, 208; BFH v. 09.03.2015, II B 98/14, BFH/NV 2015, 998; s. Rz. 3). Es genügt hierfür jedes pflichtwidrige Verhalten. Maßstab ist dabei grds. bezogen auf das Verhalten der beklagten Finanzbehörde der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 88 AO) und für den Stpfl. dessen Mitwirkungspflicht (§§ 90ff. AO; Brandis in Tipke/Kruse, § 137 FGO Rz. 3; Ratschow in Gräber, § 137 FGO Rz. 7; Schwarz in HHSp, § 137 FGO Rz. 6; aus der Rspr. BFH v. 19.01.1978, IV R 61/73, BStBl II 1978, 295; FG He v. 20.11.1973, II 140/73, EFG 1974, 117; FG He v. 16.09.1982, X 74/82, EFG 1983, 217). § 137 FGO gilt für die Hauptsachenerledigung durch Abhilfe gem. § 138 Abs. 2 Satz 2 FGO entsprechend (s. § 138 FGO Rz. 22).

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Folgt man der (zweifelhaften) Rspr. des BFH, wonach das FA einen Ermessensverwaltungsakt unter Verletzung des § 102 Satz 2 FGO im Prozess gem. § 68 Satz 1 FGO ersetzt (s. § 68 FGO Rz. 4a), so sind dem FA wenigstens trotz Obsiegens die Kosten nach § 137 Satz 1 FGO aufzuerlegen, wenn die Klage zulässig und begründet war, diese aber nachträglich deshalb unbegründet wird, weil das FA die zuvor unterlassene Ermessensausübung im ersetzenden Verwaltungsakt nachgeholt hat (FG Köln v. 17.01.2014, 13 V 3359/13, EFG 2014, 610).

 

Tz. 3

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Ein Anwendungsfall des § 137 Satz 1 FGO liegt z. B. vor, wenn der Beteiligte die von ihm schon im Verwaltungsverfahren oder jedenfalls im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren angeforderten steuerlichen Erklärungen oder Unterlagen, die sein späteres Obsiegen rechtfertigen, erst nach Rechtshängigkeit der Streitsache vorlegt. Dazu gehört auch in Schätzungsfällen (§ 162 AO) die Vorlage der Steuererklärung erst im Prozess (wie hier z. B. FG Sachsen v. 08.07.2014, 6 K 532/14, juris). Kein Raum für die Kostenauferlegung ist, wenn die Finanzbehörde unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung ausreichenden Gehörs zu früh entschieden hat, z. B. bei noch ausstehender Stellungnahme des Pflichtigen zu einem Außenprüfungsbericht; auch muss die Finanzbehörde ihrer eigenen Ermittlungspflicht voll nachgekommen sein und sich auch sonst einwandfrei verhalten haben. Eine Abwägung der beiderseitigen Pflichten ist notwendig (BFH v. 27.06.1968, II B 17/66, BStBl II 1968, 753). Der Stpfl. handelt nicht pflichtwidrig i. S. von § 90 Abs. 1 Satz 1 AO, wenn er in seiner Steuererklärung Aufwendungen nicht geltend macht, die nach damaliger höchstrichterlicher Rspr. nicht berücksichtigungsfähig waren; es liegt daher kein Verschulden des Stpfl. i. S. von § 137 FGO vor, wenn er diese Aufwendungen nach einer Änderung der Rechtsprechung erstmals im Klageverfahren geltend macht (FG BW v. 16.09.1987, II K 117/85, EFG 1988, 33). Eine Kostenentscheidung nach § 137 Satz 1 FGO kommt jedoch dann nicht in Betracht, wenn der Prozesserfolg des Beteiligten zwar auf seinem verspäteten Vorbringen beruht, dieses jedoch für das Obsiegen erst im Gerichtsverfahren deshalb nicht ursächlich ist, weil die Finanzbehörde auch in Kenntnis der nachträglich vorgetragenen oder bewiesenen Tatsachen auf dem Klageabweisungsantrag beharrte (vgl. FG Mchn v. 17.12.2014, 1 K 1107/11, EFG 2015, 759).

 

Tz. 4

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Eine Kostenentscheidung nach § 137 Satz 1 FGO zieht noch weitere (mittelbare) Folgen nach sich, denn ein zu erstattender oder zu vergütender Betrag wird in diesem Fall nicht verzinst (§ 236 Abs. 3 AO). Wird die Klage zurückgenommen, ergibt sich die Kostenfolge zulasten des Klägers zwingend aus § 136 Abs. 2 AO (s. § 136 FGO Rz. 5), sodass § 137 Satz 1 FGO nicht zur Anwendung kommt. Der Anspruch auf Prozesszinsen kann dann nicht nach § 236 Abs. 3 AO versagt werden (BFH v. 11.04.2013, III R 11/12, BStBl II 2013, 665).

 

Tz. 5

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§ 137 Satz 2 FGO erweitert die durch § 137 Satz 1 FGO eingeräumte Möglichkeit dahingehend, dass Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, unabhängig vom Prozessausgang demjenigen Beteiligten auferlegt werden können, der die Entstehung der Kosten schuldhaft verursacht hat. Es kann sich dabei um die Kosten einzeln...

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