Schrifttum
Dänzer-Vanotti, Die einseitige Erledigungserklärung des beklagten Finanzamts im finanzgerichtlichen Verfahren, StuW 1978, 158;
Jost, Vorteilhaftigkeitsvergleich unter Kostengesichtspunkten, Klagerücknahme oder Hauptsachenerledigung, INF 1997, 709;
Bartone, Änderung von Steuerbescheiden im FG-Verfahren, AO-StB 2001, 56;
Gluth, Kostenüberlegungen bei Beendigung des Verfahrens, AO-StB 2001, 156;
Nieland, Die Beendigung des finanzgerichtlichen Verfahrens, AO-StB 2002, 26;
Schellhammer, Zivilprozess, 15. Aufl. 2016.
A. Inhalt
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 138 FGO regelt die Kostenentscheidung im Fall der Hauptsachenerledigung, also für die Fälle, in denen das Rechtsschutzbegehren des Klägers aufgrund eines außerprozessualen Ereignisses nach Rechtshängigkeit (§ 66 FGO) gegenstandslos geworden ist. In diesem Fall hat das Gericht keine Sachentscheidung mehr zu treffen, sondern nur noch über die Kosten zu entscheiden. Die Vorschrift sagt nichts darüber aus, wann ein Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, sondern enthält in § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO die dort genannten typischen Fälle von erledigenden Ereignissen.
B. Erledigung der Hauptsache
I. Allgemeines
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ein Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, wenn nach Rechtshängigkeit ein Ereignis eingetreten ist, durch welches das gesamte im Klageantrag zum Ausdruck kommende, in dem Verfahren streitige Klagebegehren objektiv gegenstandslos geworden ist; es reicht nicht aus, dass der Kläger an der Fortführung des Rechtsstreits kein Interesse mehr hat (z. B. BFH v. 05.03.1979, GrS 4/78, BStBl II 1979, 375; BFH v. 22.05.2001, VII R 71/99, BStBl II 2001, 683; BFH v. 03.02.2010, VI B 126/09, BFH/NV 2010, 924; BFH v. 23.05.2016, X R 54/13, BFH/NV 2016, 1457). Die Hauptsachen ist daher erledigt, wenn die Klage nach Eintritt der Rechtshängigkeit ohne Zutun des Klägers unzulässig oder unbegründet geworden ist (Schellhammer, Rz. 1701). Erklären die Beteiligten den Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt und liegen auch die Voraussetzungen für eine nach § 138 Abs. 3 FGO fingierte Erledigungserklärung nicht vor, ist eine isolierte Kostenentscheidung gemäß § 138 Abs. 1 ausgeschlossen; vielmehr ist die Klage im Fall der Erledigung als unzulässig abzuweisen (BFH v. 10.11.2010, IV B 18/09, BFH/NV 2011, 650; auch s. Rz. 12).
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Eine Erledigung der Hauptsache kann entweder dadurch eintreten, dass das Gericht infolge einer Änderung des Sachverhalts und den dadurch ausgelösten Wegfall des ihm zur Entscheidung unterbreiteten Streitgegenstands über diesen nicht mehr zu entscheiden braucht (materielle Hauptsachenerledigung, Rz. 4) oder dadurch, dass die Beteiligten übereinstimmend erklären, dass eine Entscheidung über den Hauptsachenstreit nach ihrer Auffassung nicht mehr getroffen zu werden braucht (formelle Hauptsachenerledigung, Rz. 5).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Materielle Erledigung der Hauptsache liegt insbesondere dann vor, wenn die Finanzbehörde dem Antrag des Klägers durch Rücknahme des angefochtenen Verwaltungsakts oder Erlass eines Abhilfebescheids (z. B. gem. § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO) oder bei Verpflichtungsklagen durch Erlass des beantragten Verwaltungsakts stattgibt (s. § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO). Auch auf andere Weise kann sich die Hauptsache erledigen, z. B. durch Eintritt der Zahlungsverjährung (z. B. BFH v. 26.04.1990, V R 90/87, BStBl II 1990, 802; BFH v. 18.11.2003, VII R 5/02, BFH/NV 2004, 1057). Trotz Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts tritt jedoch keine Hauptsachenerledigung ein, wenn der Kläger die Klage gem. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO als Fortsetzungsfeststellungsklage fortführt und im Wege der Klageänderung nunmehr beantragt, durch Urteil die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts festzustellen. Bei Erledigung allein aufgrund einer bei Revisionszulassung noch nicht veröffentlichten BFH-Rechtsprechung ist die Quotelung im Verhältnis des ursprünglichen zum korrigierten (Steuer- oder Haftungs-)Betrag sachgerecht i. S. des § 138 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 FGO (BFH v. 10.01.2008, VII R 29/07, BFH/NV 2008, 602). Folge einer widerspruchslosen Feststellung der streitbefangenen Steuerforderung zur Insolvenztabelle ist nach hier vertretener Auffassung, dass die Unterbrechung des Verfahrens (§ 155 Satz 1 FGO i. V. m. § 240 Satz 1 ZPO; s. § 74 FGO Rz. 13) endet (gl. A. noch BFH v. 10.11.2010, IV B 18/09, BFH/NV 2011, 650; BFH v. 10.11.2010, IV B 11/09, BFH/NV 2011, 649; a. A. nunmehr unter Aufgabe der bisherigen Rspr. BFH v. 23.09.2015, V B 159/14, BFH/NV 2016, 60). Ungeachtet dessen tritt in jedem Fall bezüglich der Rechtsstreitigkeiten, die die gegen die Insolvenzmasse gerichteten Steuerforderungen betreffen, die Erledigung der Hauptsache ein (BFH v. 10.11.2010, IV B 18/09, BFH/NV 2011, 650; BFH v. 10.11.2010, IV B 11/09, BFH/NV 2011, 649; BFH v. 14.05.2013, X B 134/12, BStBl II 2013, 585; BFH v. 27.09.2017, XI R 9/16, BFH/NV 2018, 75; im Übrigen s. § 74 FGO Rz. 13). Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens können die Beteiligten ...