Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Gem. § 39 FGO hat der BFH das örtlich zuständige FG in den in § 39 Abs. 1 FGO abschließend aufgeführten Fällen zu bestimmen. Die Vorschrift gilt nur für die örtliche Zuständigkeit (Gerichtsstand) der FG; dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift (insbes. § 39 Abs. 1 Nr. 2 FGO: "Gerichtsbezirk") und aus der systematischen Stellung der Norm im Unterabschnitt 3, der sich ausdrücklich auf die örtliche Zuständigkeit der FG bezieht (a. A. Brandis in Tipke/Kruse, § 39 FGO Rz. 1; Herbert in Gräber, § 39 FGO Rz. 1; Steinhauff in HHSp, § 39 FGO Rz. 11). Mit der Bestimmung des zuständigen Gerichts wird die Sache bei diesem anhängig; und zwar in dem augenblicklichen Stand. Voraussetzung für die Anwendung des § 39 FGO ist die Zulässigkeit des Finanzrechtswegs (§ 33 Abs. 1 FGO), sei es auch aufgrund einer bindenden Verweisung nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG (s. Anh. zu § 33 FGO § 17a GVG Rz. 2; BFH v. 10.02.2012, VI S 10/11, BFH/NV 2012, 771; BFH v. 09.04.2014, III S 4/14, BFH/NV 2014, 1077).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 39 Abs. 1 Nr. 1 FGO betrifft die Fälle, in denen am an sich zuständigen FG aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen trotz geschäftsplanmäßiger Vertretung überhaupt kein entscheidungsfähiger Spruchkörper mehr vorhanden ist (BFH v. 19.10.2006, VII S 30/06, BFH/NV 2007, 96). Rechtliche Gründe können z. B. in der Ausschließung oder der erfolgreichen Ablehnung aller in Betracht kommenden Richtern (s. § 51 FGO; dies gilt insbes. für kleinere FG) bestehen. Tatsächliche Gründe liegen z. B. vor, wenn die zur Entscheidung berufenen Richter durch Krankheit, Tod oder anderweitig länger verhindert sind; auch dies dürfte im Allgemeinen nur bei kleineren FG in Betracht kommen (Brandis in Tipke/Kruse, § 39 FGO Rz. 3). § 39 Abs. 1 Nr. 2 FGO betrifft die tatsächliche Ungewissheit über die Grenze verschiedener Gerichte. § 39 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 FGO betrifft die Fälle des positiven und des negativen Kompetenzkonflikts mehrerer FG. § 39 Abs. 1 Nr. 4 FGO kann bei einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige, die jeweils rechtskräftig entschieden haben, dass der zu ihnen beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, entsprechend angewandt werden, wenn ein FG beteiligt ist und der BFH als oberstes Bundesgericht zuerst angerufen wird (BFH v. 26.02.2004, VII B 341/03, BFH/NV 2004, 728). Das Bestimmungsverfahren nach § 39 Abs. 1 Nr. 4 FGO dient dazu, die Zuständigkeit eines erkennenden Gerichts für ein noch nicht abgeschlossenes gerichtliches Verfahren zu begründen (BFH v. 29.06.2015, III S 12/15, BFH/NV 2015, 1421; vgl. Steinhauff in HHSp, § 39 FGO Rz. 133). Besteht Streit darüber, ob das betreffende gerichtliche Verfahren beendet wurde, ist dies von dem als zuständig erkannten Gericht zu entscheiden (vgl. BFH v. 29.06.2015, III S 12/15, BFH/NV 2015, 1421; Steinhauff in HHSp, § 39 FGO Rz. 151). § 39 Abs. 1 Nr. 5 FGO dient dazu, ein zuständiges FG zu bestimmen, wenn sich aus § 38 FGO kein Gerichtsstand ergibt. Dies gilt auch, wenn – nach der als verfehlt abzulehnenden – Rspr. des BFH ausnahmsweise eine natürliche Person (Insolvenzverwalter) Beklagter ist (BFH v. 09.04.2014, III S 4/14, BFH/NV 2014, 1077; s. § 38 FGO Rz. 2).
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Das Verfahren ist von der Stellung eines entsprechenden Antrags abhängig. Der Antrag kann von jedem Beteiligten (s. § 57 FGO), oder vom FG gestellt werden (§ 39 Abs. 2 Satz 1 FGO). Für den Antrag gilt der Vertretungszwang des § 62a FGO (BFH v. 22.02.2007, VI S 11/06, BFH/NV 2007, 1162). Soweit das FG die Entscheidung des BFH beantragt, muss es (der Senat) über den Antrag durch Beschluss befinden. Der BFH entscheidet durch unanfechtbaren Beschluss (§ 155 Satz 1 FGO i. V. m. § 37 Abs. 2 ZPO), und zwar auch, wenn er aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 39 Abs. 2 Satz 2 FGO) entscheidet. Der Beschluss ist für das FG, dessen Zuständigkeit er bestimmt, bindend.