Schrifttum
Bartone, Verfahrensrechtliche Fragen beim Insolvenzverfahren, AO-StB 2004, 142;
Bartone, Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf das finanzgerichtliche Verfahren, AO-StB 2007, 49;
Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, AO-StB 2007, 210;
von Wedelstädt, Neuerungen und Änderungen im Umkreis der Abgabenordnung, BB 2008, 16;
Nöcker, Das Drama um den Nullbescheid – Auslegung des fehlerhaft bezeichneten Einspruchsschreibens eines Beraters, AO-StB 2014, 54;
Bartone/von Wedelstädt, Korrektur von Steuerverwaltungsakten, 2. Aufl. 2017.
A. Bedeutung der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Finanzprozess ist wie das allgemeine verwaltungsgerichtliche Verfahren als Streitverfahren ausgestaltet, in dem sich einander gleichgeordnete Beteiligte als Kläger und Beklagter vor dem unabhängigen und als reine Rechtsschutzeinrichtung fungierenden FG gegenüberstehen. Der Rechtsweg zum FG wird mit der Klage gegen die Finanzbehörde beschritten (§ 63 FGO). Die FGO gewährt nicht die Klage schlechthin, sondern übernimmt das Klagensystem der VwGO (dazu s. Vor FGO Rz. 18 ff.). § 40 Abs. 1 FGO regelt mit der Anfechtungsklage und der Verpflichtungsklage die beiden Klagearten, die im Finanzprozess die größte praktische Bedeutung haben. Mit der Anfechtungsklage, der häufigsten Klageart, wird die Aufhebung, unter Umständen auch Änderung eines Verwaltungsaktes angestrebt (Einzelheiten s. § 100 FGO Rz. 1 ff.). Die Anfechtungsklage gehört zu den Gestaltungsklagen (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. IV/1446, 45/46). Die Verpflichtungsklage, ein Unterfall der Leistungsklage (s. § 41 Abs. 2 FGO), mit der die Verurteilung einer Behörde zur Vornahme eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes begehrt werden kann, ist gleichsam das Gegenstück zur Anfechtungsklage. Die allgemeine Leistungsklage ist demgegenüber nicht ausdrücklich als solche bezeichnet, aber in der FGO der Sache nach genannt (§ 40 Abs. 1 3. Alt., § 41 Abs. 2 FGO und s. Vor FGO Rz. 21). Die Feststellungsklage ist in § 41 FGO geregelt (s. § 41 FGO). Steht nicht eindeutig fest, welche Klageart der Kläger gewählt hat, bedarf es einer (rechtsschutzgewährenden) Auslegung nach dem Inhalt des Klagebegehrens, ohne dass es auf die vom Kläger gewählte Bezeichnung ankäme (BFH v. 29.04. 2009, X R 35/08, BFH/NV 2009, 1777; BFH v. 19.10.2016, II R 44/12, BStBl II 2017, 797).
B. Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 1. Alt. FGO)
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 40 Abs. 1 1. Alt. FGO ist die Anfechtungsklage auf die Aufhebung oder auf die Änderung (§ 100 Abs. 2 FGO) des angefochtenen Verwaltungsaktes gerichtet. Da durch ein stattgebendes Urteil die Rechtslage unmittelbar verändert wird, ist sie Gestaltungsklage (s. Vor FGO Rz. 19). Die Anfechtungsklage ist verwaltungsaktsbezogen, setzt also zwingend das Vorliegen eines Verwaltungsaktes oder zumindest den Rechtsschein eines solchen (z. B. BFH v. 25.02.1999, IV B 36/98, BFH/NV 1999, 1117; BFH v. 28.11.2017, VII R 30/15, BFH/NV 2018, 405) voraus. Die FGO verwendet dabei den Begriff des Verwaltungsaktes i. S. von § 118 AO (s. § 118 AO Rz. 2 ff.).
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage setzt das Vorliegen eines Verwaltungsakts (§ 118 AO) voraus. Dies kann auch ein nach § 100 Abs. 2 Satz 3 2. Halbs. FGO neu bekannt gegebener Steuerbescheid sein (BFH v. 08.03.2017, IX R 47/15, BFH/NV 2017, 1044). Fehlt ein solcher, ist die Klage grds. unzulässig und durch Prozessurteil abzuweisen. Ausnahmen sind geboten, wenn durch einen nicht wirksam bekannt gegebenen Verwaltungsakt, der zwar wegen des Bekanntgabefehlers keine Wirksamkeit erlangt (§ 124 Abs. 3 AO), aber den Rechtsschein eines wirksamen Verwaltungsakts erzeugt (BFH v. 10.07.1997, V R 56/95, BFH/NV 1998, 232; FG Sa v. 28.04.1994, 2 K 3/92, EFG 1995, 157; FG Ha v. 29.04.2004, I 134/03, juris). Dies gilt auch für einen nach § 125 AO nichtigen Verwaltungsakt (BFH v. 27.02.1997, IV R 38/96, BFH/NV 1997, 388). Daneben kann die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes mit der Feststellungsklage (§ 41 Abs. 1 FGO) geltend gemacht werden. Die Zulassung der Anfechtungsklage anstelle der Feststellungsklage rechtfertigt sich aus dem Interesse des Betroffenen an der Beseitigung des Rechtsscheins, der von einem nichtigen Verwaltungsakt ausgeht. Die Unsicherheit, ob der Bescheid nur rechtsfehlerhaft oder aber nichtig ist, soll nicht zulasten des Stpfl. gehen (BFH v. 07.08.1985, I R 309/82, BStBl II 1986, 42; BFH v. 24.05.2006, I R 9/05, BFH/NV 2006, 2019). Für den Kläger empfiehlt es sich daher neben einer Feststellungsklage hilfsweise Anfechtungsklage zu erheben, um zu verhindern, dass bei fehlender Nichtigkeit (die zur Abweisung der Feststellungsklage als unbegründet führt) die Anfechtungsklage wegen Ablaufs der Klagefrist (§ 47 FGO) unzulässig ist (hierzu auch Seer in Tipke/Kruse, § 40 FGO Rz. 9). Hat sich der Verwaltungsakt erledigt, kommt eine Fortsetzungsfeststellungsklage in Betracht (dazu s. § 100 FGO Rz. 22 ff.).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Zur isolierten Anfechtung von Einspruchsentscheidungen s. § 44 FGO...