Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 58 FGO regelt die prozessuale Geschäftsfähigkeit (Prozessfähigkeit) und knüpft insoweit an die Geschäftsfähigkeit nach bürgerlichem Recht an (§ 58 Abs. 1 FGO). Das gilt gem. § 79 AO auch für die Fähigkeit, gegenüber den Finanzbehörden im Verwaltungsverfahren Willens- und Wissenserklärungen rechtswirksam abzugeben und entgegenzunehmen. Zur Geschäftsfähigkeit nach bürgerlichem Recht s. § 79 AO Rz. 2 f. Die Prozessfähigkeit ist Sachentscheidungsvoraussetzung und zugleich Prozesshandlungsvoraussetzung, deren Fehlen die Klage unzulässig macht und zu einem Prozessurteil führt (s. Vor FGO Rz. 32). Wirksame Prozesshandlungen können demnach nur bei vorliegender Prozessfähigkeit wahrgenommen werden (BFH v. 14.12.2004, III B 115/03, BFH/BNV 2005, 713). Wird die Prozessunfähigkeit eines Beteiligten, die bereits im finanzgerichtlichen Verfahren vorlag, erst im Revisionsverfahren festgestellt, darf die Revision nicht als unzulässig verworfen werden. Die Sache ist vielmehr durch Prozessurteil zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (BFH v. 03.12.1971 III R 44/68, BStBl II 1972, 541; BFH v. 10.04.2003, III B 86/01, BFH/NV 2003, 1197).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 58 Abs. 2 Satz 1 FGO regelt die Vertretung prozessunfähiger Beteiligter und schließt mit seiner generellen Verweisung auf die Handlungsbefugnis nach bürgerlichem Recht auch die Regelung der Prozessfähigkeit für Verfahrensbeteiligte ein, die nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig sind (s. § 57 FGO Rz. 8). Sie können nur durch ihre gesetzlichen Vertreter handeln (insoweit auch § 34 AO). Fehlt ein solcher (z. B. ein GmbH-Geschäftsführer), ist die Klage einer juristischen Person (z. B. GmbH) unzulässig (vgl. BFH v. 04.09.2008, XI B 188/07, BFH/NV 2008, 2043). Aus § 35 AO kann eine Vertretungsmacht, wenn sie tatsächlich nicht besteht, für das finanzgerichtliche Verfahren nicht hergeleitet werden. § 58 Abs. 3 FGO entspricht § 79 Abs. 2 AO (dazu s. § 79 AO Rz. 13 ff.). Zur Unterbrechung des Verfahrens bei Beendigung der Vertretungsbefugnis s. §§ 241, 246 ZPO; dazu s. § 74 FGO Rz. 14.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 58 Abs. 2 Satz 2 FGO verweist auf die §§ 53 bis 58 ZPO.
§ 53 ZPO Prozessfähigkeit bei Betreuung und Pflegschaft
Wird in einem Rechtsstreit eine prozessfähige Person durch einen Betreuer oder Pfleger vertreten, so steht sie für den Rechtsstreit einer nicht prozessfähigen Person gleich.
§ 53a ZPO Vertretung eines Kindes durch Beistand
Wird in einem Rechtsstreit ein Kind durch einen Beistand vertreten, so ist die Vertretung durch den sorgeberechtigten Elternteil ausgeschlossen.
§ 54 ZPO Besondere Ermächtigung zu Prozesshandlungen
Einzelne Prozesshandlungen, zu denen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts eine besondere Ermächtigung erforderlich ist, sind ohne sie gültig, wenn die Ermächtigung zur Prozessführung im Allgemeinen erteilt oder die Prozessführung auch ohne eine solche Ermächtigung im Allgemeinen statthaft ist.
§ 55 ZPO Prozessfähigkeit von Ausländern
Ein Ausländer, dem nach dem Recht seines Landes die Prozessfähigkeit mangelt, gilt als prozessfähig, wenn ihm nach dem Recht des Prozessgerichts die Prozessfähigkeit zusteht.
§ 56 ZPO Prüfung von Amts wegen
(1) Das Gericht hat den Mangel der Parteifähigkeit, der Prozessfähigkeit, der Legitimation eines gesetzlichen Vertreters und der erforderlichen Ermächtigung zur Prozessführung von Amts wegen zu berücksichtigen.
(2) Die Partei oder deren gesetzlicher Vertreter kann zur Prozessführung mit Vorbehalt der Beseitigung des Mangels zugelassen werden, wenn mit dem Verzug Gefahr für die Partei verbunden ist. Das Endurteil darf erst erlassen werden, nachdem die für die Beseitigung des Mangels zu bestimmende Frist abgelaufen ist.
§ 57 ZPO Prozesspfleger
(1) Soll eine nicht prozessfähige Partei verklagt werden, die ohne gesetzlichen Vertreter ist, so hat ihr der Vorsitzende des Prozessgerichts, falls mit dem Verzug Gefahr verbunden ist, auf Antrag bis zu dem Eintritt des gesetzlichen Vertreters einen besonderen Vertreter zu bestellen.
(2) Der Vorsitzende kann einen solchen Vertreter auch bestellen, wenn in den Fällen des § 20 eine nicht prozessfähige Person bei dem Gericht ihres Aufenthaltsortes verklagt werden soll.
§ 58 ZPO betrifft die Bestellung eines Prozesspflegers die klageweise Geltendmachung von Rechten an herrenlosen Grundstücken und Schiffen. Da die Vorschrift für den Finanzprozess ohne Bedeutung sein dürfte, wurde vom Abdruck abgesehen.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ein Mangel der Prozessfähigkeit der am Verfahren teilnehmenden Personen ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 58 Abs. 2 Satz 2 FGO i. V. m. § 56 Abs. 1 ZPO; z. B. BFH v. 01.09.2005, IX B 87/05, BFH/NV 2006, 94; BFH v. 15.04.2014, V S 5/14 [PKH], BFH/NV 2014, 1381; Verfahrensweise: BVerwG v. 03.12.1965, VII C 90.61, BVerwGE 23, 15); dasselbe gilt für einen Mangel der Legitimation eines gesetzlichen Vertreters bzw. der erforde...