Schrifttum
Loose, Der Einzelrichter im finanzgerichtlichen Verfahren, StuW 2006, 376;
Loose, Der Einzelrichter im finanzgerichtlichen Verfahren, AO-StB 2009, 52.
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 6 FGO soll dazu dienen, die Senate der FG von nicht so bedeutsamen Verfahren zu entlasten und letztendlich eine Verkürzung der Verfahrensdauer vor den FG bewirken. Sie birgt eine gewisse Gefahr einer Zersplitterung der Rspr. in sich, wobei auch noch zu beachten ist, dass das Kollegialprinzip auch durch § 79a Abs. 2 bis 4 FGO eingeschränkt ist. Dem trägt das Gesetz dadurch Rechnung, dass die Übertragung durch Senatsbeschluss erfolgt (s. Rz. 2). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen die Norm indessen nicht (s. BVerfG v. 15.08.1997, 2 BvR 1272/97, StEd 1997, 735). Zur Kritik an § 6 FGO Brandis in Tipke/Kruse, § 6 FGO Rz. 1 ff.; auch Kopp/Schenke, § 6 VwGO Rz. 1.
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Übertragung auf den Einzelrichter erfolgt durch Beschluss des Senats in der für den Streitfall nach den Mitwirkungsgrundsätzen (§ 21e Abs. 2 GVG, s. § 4 FGO Rz. 9) zuständigen Besetzung. Zu übertragen ist stets der Rechtsstreit als Ganzes. Der Beschluss kann wegen der Voraussetzungen für die Übertragung (s. Rz. 3) erst ergehen, wenn Klagevortrag, Erwiderung der Finanzbehörde und deren Akten (§ 71 Abs. 2 FGO) dem Gericht vorliegen. Für die Übertragung auf den Einzelrichter schreibt das Gesetz – anders als im Falle der Rückübertragung auf den Senat (§ 6 Abs. 3 Satz 1 FGO) – keine Anhörung der Beteiligten vor. Entgegen der Rechtslage nach der ZPO (§§ 253 Abs. 3, 277 Abs. 1 Satz 2 ZPO) verlangt die FGO auch keine Äußerung der Beteiligten darüber, ob einer Übertragung auf den Einzelrichter Gründe entgegenstehen. Unterbleibt eine – wenngleich stets zweckmäßige – Anhörung der Beteiligten vor Erlass des Beschlusses, führt dies nicht zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, und ein späteres Rechtsmittelverfahren kann auf diese Unterlassung nicht gestützt werden (BFH v. 22.01.2009, VIII B 78/08, BFH/NV 2009, 779; BFH v. 03.05.2017, II B 110/16, BFH/NV 2017, 1012). Ein Einverständnis der Beteiligten mit der Übertragung ist gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. BFH v. 25.07.2003, XI B 202/02, BFH/NV 2003, 1541; BFH v. 03.05.2017, II B 110/16, BFH/NV 2017, 101).
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Übertragungsbeschluss ist unanfechtbar (§ 6 Abs. 4 Satz 1 FGO) daher ist die Beschwerde nicht statthaft (z. B. BFH v. 11.01.2011, VI B 60/10, BFH/NV 2011, 876). Der Beschluss unterliegt nach § 124 Abs. 2 FGO auch nicht der Beurteilung der Revision. Eine Ausnahme hiervon kommt nur in Betracht, wenn sich die Übertragung auf den Einzelrichter als "greifbar gesetzeswidrig" erweist, wenn sie also mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil sie jeder Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist (vgl. z. B. BFH v. 12.12.2013, III B 55/12, BFH/NV 2014, 575; BFH v. 15.04.2014, V S 5/14 [PKH], BFH/NV 2014, 1381 m. w. N.; BFH v. 17.01.2017, III B 20/16, BFH/NV 2017, 740). Demzufolge ist der Beschluss den Beteiligten nicht nach § 53 FGO zuzustellen. Er ist diesen aber formlos mitzuteilen (§ 155 Satz 1 FGO i. V. m. § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO; vgl. BFH v. 11.11.2010, X B 159/09, BFH/NV 2011, 610; BFH v. 03.03.2011, II B 110/10, BFH/NV 2011, 833). Der Beschluss, der keiner Begründung bedarf (§ 113 Abs. 2 Satz 1 FGO), wird mit der Unterzeichnung durch die beteiligten Richter zwar existent, seine Wirksamkeit erhält er erst mit Zugang an die Beteiligten. Fehlt es an einer wirksamen Bekanntgabe und damit an einem wirksamen Übertragungsbeschluss, liegt in der gleichwohl ergehenden Entscheidung des Einzelrichters eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (BFH v. 03.03.2011, II B 110/10, BFH/NV 2011, 833). Der Einzelrichter ist in dem Beschluss nicht namentlich zu benennen, da die Übertragung nicht personenbezogen erfolgt; die Person des Einzelrichters hat sich vielmehr aus dem Senatsgeschäftsverteilungsplan zu ergeben (§ 21e Abs. 3 GVG, s. § 4 FGO Rz. 9; vgl. BFH v. 14.05.2013, IX B 6/13, BFH/NV 2013, 1418). Fehlt eine entsprechende Regelung im Geschäftsverteilungsplan, ist die Übertragung auf den Einzelrichter unwirksam (BFH v. 08.01.2013, X B 118/12, BFH/NV 2013, 750). Die Sache bleibt Einzelrichtersache auch dann, wenn der im Zeitpunkt der Übertragung zuständige Einzelrichter aus dem Senat ausscheidet.
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter steht im Ermessen des Senats ("kann"). Sie kann nur unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 und Abs. 2 FGO erfolgen. Die Sache darf demnach keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 FGO; Rz. 5) und sie darf keine grundsätzliche Bedeutung haben (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 FGO). Außerdem ist die Übertragung auf den Einzelrichter ausgeschlossen, wenn bereits vor dem Senat mündlich verhandelt wurde, es sei denn, inzwischen ist ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil erl...