Schrifttum
K.J. Wagner, Über effektiven vorläufigen Rechtsschutz im finanzgerichtlichen Verfahren, Kruse-FS, S. 735;
Lemaire, Der vorläufige Rechtsschutz im Steuerrecht, Diss. Köln 1997;
Drüen, Haushaltsvorbehalt bei der Verwerfung verfassungswidriger Steuergesetze?, FR 1999, 289;
Mack, Aussetzung der Vollziehung, AO-StB 2001, 85;
Saar, Defizite im finanzgerichtlichen Rechtsschutz, StuW 2001, 3;
Loschelder, Sicherheitsleistung im AdV–Verfahren, AO-StB 2002, 284;
Bartone, Gerichtlicher Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 2 und Abs. 3 FGO), AO-StB 2018, 126.
A. Bedeutung der Vorschrift
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 69 FGO bietet dem Antragsteller die Möglichkeit, einstweiligen (vorläufigen) Rechtsschutz zu erlangen. Die Norm dient dazu, dem Bürger effektiven Rechtsschutz i. S. von Art. 19 Abs. 4 GG gegen Maßnahmen der Finanzbehörden zu gewähren, indem sie es ermöglicht, eine – grds. nicht vorgesehene (s. Rz. 2) – suspendierende Wirkung der Klage herbeizuführen (insoweit z. B. BVerfG v. 20.12.2002, 1 BvR 2305/02, NJW 2003, 418). § 69 FGO entspricht inhaltlich weitgehend der Regelung des § 361 AO, der (nur) für das Einspruchsverfahren gilt (s. § 361 AO Rz. 1). Dabei gilt § 69 FGO ausschließlich für die Fälle, in denen in der Hauptsache die Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 1. Alt. FGO) als statthafte Klageart gegeben ist, während für den vorläufigen Rechtsschutz in allen übrigen Fällen § 114 FGO gilt (dazu auch s. § 114 FGO Rz. 2). Für den einstweiligen Rechtsschutz gegen Einfuhrabgabenbescheide der Zollbehörden gilt Art. 45 Abs. 2 UZK (davor bis zum 31.05.2016 Art. 244 Abs. 2 ZK; vgl. z. B. Rüsken in Dorsch, Zollrecht, Art. 244 Rz. 32; Beermann in HHSp, Art. 244 ZK Rz. 16 ff.). Insoweit entspricht der Begriff der "begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung" (Art 244 Abs. 2 ZK bzw. nunmehr Art 45 Abs. 2 UZK) dem Begriff der ernstlichen Zweifel i. S. der §§ 361 Abs. 2 AO, 69 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 FGO (BFH v. 11.07.2000, VII B 41/00 BFH/NV 2000, 1512, 1513; Alexander in Witte, Art. 244 ZK Rz. 17 ff.; Schoenfeld in Krenzler/Herrmann/Niestedt, Art. 45 UZK Rz. 18; Stapperfend in Gräber, § 69 FGO Rz. 166). Im Übrigen s. § 361 AO Rz. 73.
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 69 FGO kommt immer dann zur Anwendung, wenn das Einspruchsverfahren (§§ 347ff. AO) abgeschlossen ist; dann kann die Finanzbehörde die Aussetzung – auch vor Klageerhebung – nur noch nach § 69 Abs. 2 FGO gewähren. Nach Klageerhebung kann somit ausschließlich über § 69 FGO erlangt werden. Andererseits gilt § 69 FGO für den einstweiligen Rechtsschutz durch das FG bereits vor Abschluss des Einspruchsverfahrens (s. § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO), wenn die Finanzbehörde die Vollziehungsaussetzung ganz oder teilweise abgelehnt hat (s. § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO) bzw. bei Untätigkeit oder wenn die Zwangsvollstreckung droht (§ 69 Abs. 4 Satz 2 FGO). Dann ist das FG für die Aussetzung zuständig (§ 69 Abs. 7 FGO).
B. Grundsatz des § 69 Abs. 1 FGO
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
§ 69 Abs. 1 FGO stellt – ebenso wie § 361 Abs. 1 AO für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren – den Grundsatz auf, dass der Klage (und dasselbe gilt über § 121 FGO für die Revision) abgesehen von § 69 Abs. 5 FGO (dazu s. Rz. 31; vgl. auch § 361 Abs. 4 AO und dazu s. § 361 AO Rz. 63 f.) keine aufschiebende Wirkung zukommt, also durch die Erhebung gerichtlicher Rechtsbehelfe die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht gehemmt, insbes. die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten wird (vgl. auch Art. 244 Abs. 1 ZK). Dies hat seinen Grund darin, dass dem Staat die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Mittel laufend zufließen (s. BT-Drs. IV/1446; Stapperfend in Gräber, § 69 FGO Rz. 1 m. w. N.). Dem trägt z. B. auch § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Rechnung, während im allgemeinen Verwaltungsprozess der Grundsatz gilt, dass Widerspruch (§§ 68ff. VwGO) und Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) aufschiebende Wirkung haben (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies erklärt sich daraus, dass es im allgemeinen Verwaltungsprozess anders als im Finanzprozess, regelmäßig nicht um Verwaltungsakte geht, die dem Bürger Geldzahlungspflichten auferlegen. Das aus Gründen effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) notwendige Korrelat der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (s. Rz. 1) bietet § 69 Abs. 2 und Abs. 3 FGO (vgl. auch § 361 Abs. 2 AO), wonach unter bestimmten Voraussetzungen die AdV, ggf. deren Aufhebung, ermöglicht wird.
C. Vollziehungsaussetzung durch die Finanzbehörde (§ 69 Abs. 2 FGO)
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Grds. fällt die Gewährung von Vollziehungsaussetzung auch während des gerichtlichen Verfahrens in die Kompetenz der (zuständigen) Finanzbehörde (§ 69 Abs. 2 FGO). AdV setzt voraus, dass ein der Vollziehung zugänglicher Verwaltungsakt angefochten ist. Zu den vollziehbaren Verwaltungsakten sowie zum Begriff der Vollziehung s. § 361 AO Rz. 7 ff.). Im Umfang der Anfechtung kann die zuständige Finanzbehörde die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen (§ 69 Abs. 2 Satz 1 FGO). Auf Antrag soll sie Vollziehungsaussetzung gewähren, wenn ernstliche Zweifel an...