Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 70 FGO verweist auf die §§ 17 bis 17b GVG (zum Wortlaut s. Anh. zu § 33 FGO), jedoch nur wegen der sachlichen (s. § 35 FGO) und örtlichen (s. § 38 FGO) Zuständigkeit innerhalb des Finanzrechtswegs, nicht wegen des Rechtswegs (vgl. z. B. BFH v. 19.07.2012, X B 62/12, BFH/NV 2012, 1820). Insoweit kommen diese Normen über § 155 Satz 1 FGO im Finanzprozess zur Anwendung. § 70 FGO gilt ebenso wenig für die Frage, welches Rechtspflegeorgan zuständig ist (funktionelle Zuständigkeit) oder für die Frage, welcher Senat innerhalb desselben Gerichts aufgrund des Geschäftsverteilungsplans (s. § 4 FGO i. V. m. §§ 21a ff. GVG) zuständig ist. In diesem Fällen erfolgt eine formlose Abgabe ohne Anhörung der Beteiligten (Herbert in Gräber, § 70 FGO Rz. 5). Eine entsprechende Anwendung von § 70 Satz 1 FGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG kommt in Betracht, wenn der BFH mit einem Antrag befasst wird (z. B. § 114 FGO), für den er sachlich nicht zuständig ist, sodass das Verfahren von Amts wegen an das zuständige FG zu verweisen ist (BFH v. 05.06.2008, IX S 5/08, BFH/NV 2008, 1513). Dies gilt z. B., wenn der BFH im Wege einer Wiederaufnahmeklage (§ 134 FGO i. V. m. § 578ff. ZPO) angerufen wird, obwohl seine sachliche Zuständigkeit gem. § 134 FGO i. V. m. § 584 ZPO bzw. seine instanzielle Zuständigkeit als Unterfall der sachlichen Zuständigkeit im Einzelfall nicht gegeben ist (BFH v. 22.07.2002, VII S 24/02, BFH/NV 2002, 1486; BFH v. 16.12.2014, X K 5/14, BFH/NV 2015, 515).

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

In Bezug auf die örtliche bzw. sachliche Zuständigkeit gelten der Grundsatz der perpetuatio fori sowie der Eintritt der Klagesperre mit Rechtshängigkeit (s. § 66 FGO). Wurde die örtliche Zuständigkeit des FG wirksam begründet, fällt diese demnach nicht allein deshalb weg, weil auf Verwaltungsebene ein anderes FA zuständig geworden ist oder das ursprünglich zuständige FA mit dem nunmehr zuständigen FA während des Klageverfahrens zusammengelegt wurde (BFH v. 19.05.2008, V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501; BFH v. 27.01.2009, X S 42/08, FH/NV 2009, 780; BFH v. 18.08.2010, IX B 36/10, juris). Ebenso lässt eine Wohnsitzverlegung des Klägers nach Rechtshängigkeit die örtliche Zuständigkeit des FG unberührt (BFH v. 26.11.2009, III B 10/08, BFH/NV 2010, 658). Daher ist nach Eintritt der Rechtshängigkeit die Erhebung einer Klage mit demselben Streitgegenstand bei einem anderen FG unzulässig. Demgegenüber ist eine entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 2 GVG kaum denkbar (dazu s. Anh. zu § 33 FGO § 17 GVG Rz. 3).

 

Tz. 3

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Hält sich das Gericht (also der Senat bzw. der Einzelrichter gem. § 6 FGO) für zuständig, kommt eine Vorabentscheidung durch Beschluss (§ 70 Satz 1 FGO i. V. m. § 17a Abs. 3 GVG) bei objektiv unklarer Rechtslage bzw. bei Rüge der Beteiligten in Betracht. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 70 Satz 2 FGO). Bei Unzuständigkeit ist – nach Anhörung der Beteiligten – diese von Amts wegen auszusprechen und der Rechtsstreit zugleich an das zuständige FG zu verweisen (§ 70 Satz 1 FGO i. V. m. § 17a Abs. 2 GVG). im Einzelnen s. Anh. zu § 33 FGO, § 17a GVG Rz. 1 ff. Der Verweisungsbeschluss ist bindend (§ 70 Satz 1 FGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG), es sei denn, der Verweisungsbeschluss ist offensichtlich fehlerhaft und bedeutet im Ergebnis eine willkürliche Verlagerung des gesetzlichen Richters (BFH v. 25.03.1992, VII B 6/92, BFH/NV 1992, 677; BFH v. 27.01.2009, X S 43/08, juris). In diesem Fall kann auch das Gericht, an das verwiesen wurde, sich für örtlich unzuständig erklären und den BFH zur Bestimmung des zuständigen FG anrufen (§ 39 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 FGO; vgl. BFH v. 29.06.2015, III S 12/15, BFH/NV 2015, 1421). Verweist das angerufene FG den Rechtsstreit wegen örtlicher Unzuständigkeit indessen formell ordnungsgemäß und auch der Sache nicht willkürlich an das zuständige FG, so wird dieses mit Eingang der Akten gesetzlicher Richter und bleibt es wegen der Bindungswirkung der Verweisung (§ 70 Satz 1 FGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG) auch, wenn sich später infolge einer Klarstellung des klägerischen Begehrens ergibt, dass doch das ursprünglich angerufene FG örtlich zuständig gewesen wäre (BFH v. 05.10.2006, VII B 202/05, BFH/NV 2007, 251; BFH v. 11.01.2013, V S 27/12 [PKH], BFH/NV 2013, 945; Brandis in Tipke/Kruse, § 70 FGO Rz. 7; Koch in Gräber, § 70 FGO Rz. 6 ff.; Schallmoser in HHSp, § 70 FGO Rz. 22 ff.; Schoenfeld in Gosch, § 70 FGO Rz. 30).

 

Tz. 4

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Nach § 70 Satz 1 FGO i. V. m. § 17a Abs. 5 GVG prüft der BFH bei der Entscheidung über eine Revision oder eine NZB gegen ein finanzgerichtliches Urteil nicht, ob das FG sachlich und örtlich zuständig war (BFH v. 26.01.2012, V S 29/11 [PKH], BFH/NV 2012, 763; BFH v. 12.02.2014, V B 39/13, BFH/NV 2014, 715).

 

Tz. 5

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§ 70 FGO erfasst nicht die gerichtsinterne Verweisung eines Verfahrens an einen anderen Senat. Ein entsprechender Antrag und die gegen ...

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