Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 90a Abs. 1 FGO kann das Gericht in geeigneten Fällen durch Gerichtsbescheid (früher: Vorbescheid) entscheiden. Die Entscheidung, an der die ehrenamtlichen Richter gem. § 5 Abs. 3 Satz 2 FGO nicht mitwirken, ergeht ohne mündliche Verhandlung. § 90a FGO stellt daher eine Ausnahme vom Grundsatz der mündlichen Verhandlung dar (s. § 90 FGO Rz. 5). Der Erlass eines Gerichtsbescheids kommt nur in Betracht, wenn in der Sache durch Urteil entschieden werden müsste (§ 90a Abs. 3 1. HS FGO). Zulässig ist es deshalb auch in den Fällen der §§ 97 bis 99 durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Da der Einzelrichter (§§ 6, 79a Abs. 3 und Abs. 4 FGO) anstelle des Senats entscheidet, kann er auch durch Gerichtsbescheid entscheiden. Für den Gerichtsbescheid des Vorsitzenden bzw. des Berichterstatters, ohne dass die Beteiligten sich mit einer Entscheidung damit einverstanden erklärt haben gilt § 79a Abs. 2 und Abs. 4 FGO. Soweit der Einzelrichter kraft Übertragung (§ 6 FGO) bzw. der konsentierte Einzelrichter (§ 79a Abs. 3 und Abs. 4 FGO) durch Gerichtsbescheid entschieden haben, sind sie auch im Falle eines Antrags auf mündliche Verhandlung zur Entscheidung durch Urteil berufen. § 90a gilt auch im Revisionsverfahren (§ 121 Satz 1 FGO); der BFH-Senat entscheidet in der Besetzung mit fünf Richtern (§ 10 Abs. 3 1. HS FGO).
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Ein geeigneter Fall i. S. von § 90a Abs. 1 FGO liegt vor, wenn das Gericht (Senat, Einzelrichter) der Auffassung ist, der Sachverhalt sei geklärt und eine zutreffende Entscheidung könne auch ohne mündliche Verhandlung getroffen werden. Abweichend von § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO setzt § 90a Abs. 1 FGO nicht voraus, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Dementsprechend muss das Gericht auch nicht besonders entscheiden und begründen, warum es durch Gerichtsbescheid entscheidet (Herbert in Gräber, § 90a FGO Rz. 10; anders im allgemeinen Verwaltungsprozess; Kopp/Schenke, § 84 VwGO Rz. 18). Eines Einverständnisses der Beteiligten zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid bedarf es nicht (BFH v. 31.08.2006, II E 4/06, juris). Die Beteiligten müssen auch nicht vor Ergehen eines Gerichtsbescheids gehört werden (anders: § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO; wie hier: BFH v. 02.04.2014, V R 62/10, BFH/NV 2014, 1210; Brandis in Tipke/Kruse, § 90a FGO Rz. 4; Fu in Schwarz/Pahlke, § 90a FGO Rz. 6; Schallmoser in HHSp, § 90a FGO Rz. 39; Herbert in Gräber, § 90a FGO Rz. 6). Ratsam ist es für die Beteiligten, bereits im Vorfeld darzutun, warum sich ihrer Ansicht nach der Streitfall nicht für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid eignet. Für die Form des Gerichtsbescheids gelten gem. § 106 FGO die §§ 104, 105 FGO wie für Urteile. Auch der Entscheidungsausspruch (Tenor) des Gerichtsbescheids unterscheidet sich nicht von der Urteilsformel. Die Rechtsmittelbelehrung (§ 105 Abs. 2 Nr. 6, § 55 Abs. 1 Satz 2 FGO) muss auf den nach § 90a Abs. 2 FGO statthaften Rechtsbehelf hinweisen.
Tz. 3
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Nach § 90a Abs. 2 Satz 1 FGO ist gegen einen Gerichtsbescheid immer der Antrag auf mündliche Verhandlung gegeben, unabhängig davon, ob das Gericht die Revision zugelassen hat (§ 115 Abs. 1 FGO) oder nicht (vgl. BFH v. 22.04.2008, X B 261/07, juris). Allerdings bedarf es eines Rechtsschutzinteresses, das grds. dann fehlt, wenn dem Antrag des Beteiligten durch den Gerichtsbescheid in vollem Umfang entsprochen worden ist (BFH v. 27.03.2013, IV R 51/10, BFH/NV 2013, 1110 [allerdings auf mangelnde Beschwer abstellend]; BFH v. 06.06.2013, VII R 16/12, BFH/NV 2013, 1440; auch s. Rz. 5). Hat das FG die Revision gem. § 155 Abs. 1 und Abs. 2 FGO zugelassen, können die Beteiligten entweder Revision einlegen oder die mündliche Verhandlung vor dem FG beantragen (§ 90a Abs. 2 Satz 2 FGO). Wird sowohl Revision eingelegt als auch die mündliche Verhandlung beantragt, so findet gem. § 90a Abs. 2 Satz 3 FGO die mündliche Verhandlung vor dem FG statt. Selbst in den Fällen der Revisionszulassung sollte jeder Beteiligte prüfen, ob der Tatsachenvortrag zu ergänzen ist und daher im Hinblick auf § 118 Abs. 2 FGO der Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung vorzugswürdig ist. Wurde die Revision nicht ausdrücklich zugelassen, ist der Antrag auf mündliche Verhandlung der einzige statthafte Rechtsbehelf gegen den Gerichtsbescheid (vgl. BFH v. 01.01.2009, XI B 104/08, ZSteu 2009, R 1187). Der Antrag auf mündliche Verhandlung kann in jedem Fall nur von demjenigen gestellt werden, der durch den Gerichtsbescheid beschwert ist (BFH v. 01.07.2009, VII R 3/08, ZSteu 2009, R 855). Eine NZB (§ 116 FGO) gegen einen Gerichtsbescheid ist nicht statthaft (BFH v. 25.01.2006, III B 97/05, juris; BFH v. 25.02.2008, IV R 4/08, juris; BFH v. 25.09.2008, X B 184/08, juris).
Tz. 4
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Der Antrag auf mündliche Verhandlung ist Rechtsbehelf und damit Prozesshandlung (s. Vor § 40 FGO Rz. 1 ff.). Er ist innerhalb eines Mo...