Katharina Wagner, Dr. Klaus J. Wagner
Tz. 1
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Das Urteil ist die "klassische" Entscheidung des Gerichts. Deshalb stellt § 95 FGO die Entscheidung durch Urteil als Grundsatz dar. In der Praxis kommt es jedoch in der Mehrzahl der Fälle nicht zu einer Entscheidung durch Urteil. Dem trägt die Vorschrift durch die Öffnungsklausel für andere Entscheidungen Rechnung. "Etwas anderes bestimmt" ist bezüglich der Form der Entscheidung über die Klage für Gerichtsbescheide in § 90a FGO. Bei Klagerücknahme (§ 72 FGO) wird über die Klage nicht entschieden. Im – häufigen – Fall der Erledigung der Hauptsache infolge einer einvernehmlichen Einigung im Rechtsstreit (§ 79 Abs. 2 Nr. 1 FGO) wird nur noch durch Beschluss über die Kosten entschieden, § 138 FGO.
Tz. 2
Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018
Das Urteil ist Sachurteil, wenn über das Klagebegehren entschieden wird, Prozessurteil, wenn ggf. auch durch Zwischenstreit (§ 97 FGO) über Prozessvoraussetzungen entschieden oder wenn die Klage mangels Erfüllung von Prozessvoraussetzungen, genauer: prozessrechtlicher Voraussetzungen einer Sachentscheidung, abgewiesen wird. Prozessvoraussetzungen sind: Unterwerfung unter die deutsche Gerichtsbarkeit, Eröffnung des Finanzrechtsweges (§ 33 FGO), sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichts (§§ 35ff. FGO, 38 ff. FGO), keine anderweitige Rechtshängigkeit der Sache (§ 66 FGO), Beteiligtenfähigkeit (§§ 57, 63 FGO), Prozessfähigkeit, gegebenenfalls gesetzliche Vertretung (§ 58 FGO), Vollmacht des rechtsgeschäftlichen Vertreters, sofern nicht der Mangel der Vollmacht als unbeachtlich angesehen werden kann (§ 62 FGO), Beiladung, soweit notwendig (§ 60 Abs. 3 FGO), ordnungsmäßige Klageerhebung (§§ 64, 65 FGO), die Einhaltung der Klagefrist (§ 47 FGO), regelmäßig nach außergerichtlichem Vorverfahren (§§ 44 bis 46 FGO), und Feststellungsinteresse im Falle der Feststellungsklage nach § 41 FGO.
Prozessvoraussetzungen sind in jeder Instanz von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Unterscheidung von Sachurteilen und Prozessurteilen ist deshalb bedeutsam, weil nur von Ersteren eine Rechtskraftwirkung (§ 110 FGO) ausgeht. Wirksam wird das Urteil mit seiner Verkündung oder Zustellung. Erst zu diesem Zeitpunkt ist das Urteil erlassen. Gelangt den Beteiligten ein Urteilsentwurf zur Kenntnis, ist noch kein Urteil erlassen, das Bindungs- oder Rechtswirkungen für die Beteiligten auslösen kann. Trotz der Unwirksamkeit ist aber ein Rechtsmittel (Revision) zulässig, um den Rechtsschein der unwirksamen Entscheidung zu beseitigen.
Bezüglich der Möglichkeit, ein Zwischenurteil (auch über den Grund) bzw. ein Teilurteil zu erlassen, s. §§ 97 bis 99 FGO. Versäumnisurteile (§§ 330ff. ZPO) sind ebenso wie Verzichts- und Anerkenntnisurteile (§§ 306, 307 ZPO) im Finanzprozess unzulässig. Auch ein Prozessvergleich ist nicht zulässig, da die Beteiligten des finanzgerichtlichen Prozesses nicht über die Höhe des Kraft Gesetzes entstehenden Steueranspruchs verfügen können. Zulässig ist aber eine "tatsächliche Verständigung" über den der Besteuerung zugrunde zu legenden Sachverhalt, die in der Praxis nicht selten einen Vergleich ersetzt.