Einführung
1Die Umsatzsteuer-Richtlinien 1996 behandeln Zweifelsfragen und Auslegungsfragen von allgemeiner Bedeutung, um eine einheitliche Anwendung des Umsatzsteuerrechts durch die Behörden der Finanzverwaltung sicherzustellen. 2Sie enthalten außerdem Regelungen, wie zur Vermeidung unbilliger Härten und zur Verwaltungsvereinfachung in bestimmten Fällen zu verfahren ist.
Zu § 1 UStG
1. Leistungsaustausch
(1) 1Lieferungen und sonstige Leistungen sind nur steuerbar, wenn ein Leistungsaustausch vorliegt. 2Ein Leistungsaustausch setzt voraus, daß Leistender und Leistungsempfänger vorhanden sind und der Leistung eine Gegenleistung (Entgelt) gegenübersteht. 3Für die Annahme eines Leistungsaustausches müssen Leistung und Gegenleistung in einem wechselseitigen Zusammenhang stehen. 4Ein Leistungsaustausch kann nur zustande kommen, wenn sich die Leistung auf den Erhalt einer Gegenleistung richtet und damit die gewollte, erwartete oder erwartbare Gegenleistung auslöst, so daß schließlich die wechselseitig erbrachten Leistungen miteinander innerlich verbunden sind (BFH-Urteil vom 7.5.1981 - BStBl II S. 495). 5Der Annahme eines Leistungsaustausches steht nicht entgegen, daß sich die Entgeltserwartung nicht erfüllt, daß das Entgelt uneinbringlich wird oder daß es sich nachträglich mindert (vgl. BFH-Urteil vom 22.6.1989 - BStBl II S. 913). 6Bloße - vorübergehende - Liquiditätsschwierigkeiten des Entgeltschuldners ändern hieran regelmäßig nichts (vgl. BFH-Urteil vom 16.3.1993 - BStBl II S. 562). 7Auch wenn eine Gegenleistung freiwillig erbracht wird, kann ein Leistungsaustausch vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 17.2.1972 - BStBl II S. 405). 8Leistung und Gegenleistung brauchen sich nicht gleichwertig gegenüberzustehen (vgl. BFH-Urteil vom 22.6.1989 a. a. O.). 9An einem Leistungsaustausch fehlt es in der Regel, wenn eine Gesellschaft Geldmittel nur erhält, damit sie in die Lage versetzt wird, sich in Erfüllung ihres Gesellschaftszwecks zu betätigen (vgl. BFH-Urteil vom 20.4.1988 - BStBl II S. 792). 10Die Gewährung von Personalrabatt durch den Unternehmer beim Einkauf von Waren durch seine Mitarbeiter ist keine Leistung gegen Entgelt, sondern Preisnachlaß (BFH-Beschluß vom 17.9.1981 - BStBl II S. 775).
(1a) 1Zur Prüfung der Leistungsbeziehungen zwischen nahen Angehörigen, wenn der Leistungsempfänger die Leistung für Umsätze in Anspruch nimmt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen, vgl. BFH-Urteil vom 15.3.1993 - BStBl II S. 728. 2Zur rechtsmißbräuchlichen Gestaltung nach § 42 AO bei "Vorschaltung" von Minderjährigen in den Erwerb und die Vermietung von Gegenständen, vgl. BFH-Urteile vom 21.11.1991 - BStBl 1992 II S. 446 - und vom 4.5.1994 - BStBl II S. 829. 3Ist der Leistungsempfänger ganz oder teilweise nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, ist der Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach den Grundsätzen der BFH-Urteile vom 22.10.1992 - BStBl 1993 II S. 210 - und vom 4.5.1994 - BStBl II S. 829 zu prüfen.
(2) 1Der Leistungsaustausch umfaßt alles, was Gegenstand eines Rechtsverkehrs sein kann. 2Leistungen im Rechtssinn unterliegen aber nur insoweit der Umsatzsteuer, als sie auch Leistungen im wirtschaftlichen Sinn sind, d. h. Leistungen, bei denen ein über die reine Entgeltsentrichtung hinausgehendes eigenes wirtschaftliches Interesse des Entrichtenden verfolgt wird (vgl. BFH-Urteil vom 31.7.1969 - BStBl II S. 637). 3Die bloße Entgeltsentrichtung, insbesondere die Geldzahlung oder Überweisung, ist keine Leistung im wirtschaftlichen Sinne. 4Unter welchen Voraussetzungen bei der Schuldübernahme eine Leistung im wirtschaftlichen Sinne anzunehmen ist (vgl. die BFH-Urteile vom 18.4.1962 - BStBl III S. 292 - und vom 31.7.1969 a.a.O.). 5Die Übernahme einer Baulast gegen ein Darlehen zu marktunüblich niedrigen Zinsen kann einen steuerbaren Umsatz darstellen (vgl. BFH-Beschluß vom 12.11.1987 - BStBl 1988 II S. 156). 6Die Unterhaltung von Giro-, Bauspar- und Sparkonten stellt für sich allein keine Leistung im wirtschaftlichen Sinne dar (vgl. BFH-Urteil vom 1.2.1973 - BStBl II S. 172). 7Die geschäftsmäßige Ausgabe nicht börsengängiger sogenannter Optionen (Privatoptionen) auf Warenterminkontrakte gegen Zahlung einer Prämie ist eine steuerbare Leistung (BFH-Urteil vom 28.11.1985 - BStBl 1986 II S. 160). 8Zum Anbieten von Leistungen (Leistungsbereitschaft) als eine steuerbare Leistung, wenn dafür ein Entgelt gezahlt wird, vgl. BFH-Urteil vom 27.8.1970 - BStBl 1971 II S. 6. 9Zahlt ein Apotheker einem Hauseigentümer dafür etwas, daß dieser Praxisräume einem Arzt (mietweise oder unentgeltlich) überläßt, kann zwischen dem Apotheker und dem Hauseigentümer ein eigener Leistungsaustausch vorliegen (BFH-Urteil vom 20.2.1992 - BStBl II S. 705).
(3) 1Ein Leistungsaustausch liegt nicht vor, wenn eine Lieferung rückgängig gemacht wird (Rückgabe). 2Ob eine nicht steuerbare Rückgabe oder eine steuerbare Rücklieferung vorliegt, ist aus der Sicht des ursprünglichen Leistungsempfängers und nicht aus der Sicht des ursprünglichen Lieferers zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 17.12.1981 - ...