Dr. Christoph Regierer, René Udwari
Rz. 9
Der Stiftungszweck wird gem. § 81 Abs. 2 BGB durch den Stifter vorgegeben. Der Zweck muss dem Stiftungsorgan (Vorstand) eindeutige Vorgaben zur Verwendung der Stiftungserträge machen, deren Einhaltung für die Aufsichtsbehörde nachprüfbar sein muss. Weder dem Vorstand noch der Aufsichtsbehörde soll eine eigene Willensentscheidung über den Zweck der Stiftung möglich sein. Ohne eine in diesem Sinne eindeutige Vorgabe des Stiftungszwecks sind Stiftungsgeschäft und Satzung unwirksam (Schlüter/Stolte, Kap. 2 Rn. 47). Der Stiftungszweck ist grundsätzlich auf Dauer angelegt, d. h., er muss beständig und unveränderbar sein (BVerfG vom 11.10.1977, BVerfGE 46, 73, 85). Bei der Wahl des Stiftungszwecks ist folglich besondere Sorgfalt geboten und auch die Überlegung einzubeziehen, dass sich die tatsächlichen Umstände im Laufe der Zeit ändern können. Daher sieht der Gesetzgeber trotz des Bestimmtheitsgebots andererseits die Notwendigkeit, den Stiftungszweck nicht allzu eng zu formulieren, damit das Stiftungsorgan auch langfristig zweckgemäße Entscheidungen treffen kann (vgl. RegE BT-Drs. 14/8765, 10). Keinen Bedenken vor dem Hintergrund der Bestimmtheit des Stiftungszwecks unterliegt die Verfolgung mehrerer Stiftungszwecke durch eine Stiftung. Deren Rangverhältnis muss aber klar bestimmt sein (vgl. Burgard, ZSt 2003, 129, 131). "Vorratszwecke" (zu unterscheiden von der Vorratsstiftung, s. Rn. 94) sollen unzulässig sein (Staudinger/Hüttemann/Rawert, § 81 BGB, Rn. 48, einschränkend: beck-online.GROSSKOMMENTAR/K. W. Lange, 01.03.2022, BGB § 81 Rn. 105). Allerdings ist es dem Stifter möglich, in der Satzung eine spätere Änderung des Stiftungszwecks vorzusehen (RegE, BT-Drs. 14/8765, 10).
Rz. 10
Grundsätzlich sind sämtliche Stiftungszwecke in den Grenzen des § 80 Abs. 2 BGB zulässig (Prinzip der gemeinwohlkonformen Allzweckstiftung). Der Stifter hat bei der Festlegung des Stiftungszwecks eine weitreichende Gestaltungsfreiheit. Er kann z. B. Stiftungszwecke bestimmen, die in der Förderung bestimmter Einrichtungen, Projekte oder Personen bestehen. Dabei darf er auch hinsichtlich der Förderung bestimmter Personen oder Personengruppen nach Alter, Geschlecht, Herkunft, politischer Anschauung sowie Religion differenzieren. Die Stiftung kann seine Familie begünstigen (s. Rn 152 f.), entweder durch die Auskehr von Erträgen des Stiftungsvermögens oder durch Gewährung tatsächlicher Vorteile. Sie kann zudem wie eine KapG erwerbswirtschaftlich tätig sein und Gewinne erwirtschaften (zur Unternehmensstiftung s. Rn. 85).
Zulässig ist deshalb auch die unternehmensverbundene Stiftung, die als Unternehmensträgerstiftung selbst wirtschaftlich tätig ist oder als Holding-Stiftung Unternehmensanteile in ihrem Vermögen hält. Eine frühere Ansicht, die zumindest die Unternehmensträgerstiftung in analoger Anwendung des vereinsrechtlichen Verbots einer wirtschaftlichen Haupttätigkeit (§ 22 BGB) ablehnte, hat der Gesetzgeber verworfen, indem er entsprechende Regelungen nicht zum Gegenstand der letzten Stiftungsrechtsnovellen machte. Es fehlt an einer "planwidrigen Regelungslücke", die die analoge Anwendung des § 22 BGB voraussetzen würde (vgl. Staudinger/Hüttemann/Rawert, BGB, Vor §§ 80 ff. Rn. 220 f. m. w. N.).
Rz. 11
Auch in zeitlicher Hinsicht kann der Stiftungszweck frei gewählt und gestaltet sein: Möglich ist die Errichtung einer "Stiftung auf Zeit." Hier ist die Lebensdauer der Stiftung zeitlich auf ein bestimmtes Datum oder ein anderes Ereignis befristet. Denkbar ist auch, die Stiftung so zu begrenzen, dass sie nur für den Zeitraum besteht, in dem der Stiftungszweck gegeben ist.
Häufiger wird es jedoch der Fall sein, dass sich die zeitliche Begrenzung der Stiftung aus dem Stiftungszweck selbst ergibt (Schulbeispiele: Stiftung zur Versorgung der Opfer einer bestimmten Naturkatastrophe oder zum Wiederaufbau eines kulturhistorischen Ensembles). Bei diesem Unterfall der Stiftung auf Zeit könnte man von einer sog. zweckbefristeten (auch: zweckbegrenzten) Stiftung sprechen.