Dr. Christoph Regierer, René Udwari
Rz. 30
Im Dreiecksverhältnis von Stiftungszweck, Stiftungsvermögen und Stiftungsorganisation ist die Organisation dasjenige Element, das der Stifter mit großer Flexibilität gestalten kann. Mehr noch als jede Satzungsbestimmung erhält das Geschäftsführungsorgan der Stiftung Leitplanken für seine Tätigkeit durch den Stiftungszweck, für den Mittel zu verwenden sind, und durch das Vermögen, das andererseits zu erhalten und ertragreich anzulegen ist.
Die Rechtsangelegenheiten des Vorstandsorgans sind durch das BGB vornehmlich im Vereinsrecht geregelt, auf das § 86 Satz 1 BGB verweist. Diese Vorschriften sind jedoch in weitem Maße durch die Stiftungssatzung abdingbar und gestaltungsfähig.
Rz. 31
Der Vorstand ist gem. § 86 i. V. m. § 26 Abs. 1 BGB in jedem Fall das zur Vertretung der Stiftung berufene Organ. Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben ist er das einzige zwingend notwendige Gremium der Stiftung. Er vertritt die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich. Er besteht zumindest aus einer Person. Die Bezeichnung "Vorstand" ist nicht zwingend (Hüttemann, ZHR 167 (2003), 35, 52).
Rz. 32
Gem. § 26 Abs. 1 Satz 2 HS 2 i. V. m. § 86 Abs. 1 BGB hat der Vorstand die Stellung eines gesetzlichen Vertreters der Stiftung. Das Verhalten des Vorstands als Stiftungsorgan wird der Stiftung als eigenes zugerechnet. Die Vertretung der Stiftung sowie die Wissenszurechnung folgt den allgemeinen Regeln der §§ 164 ff. BGB. Die Vertretungsmacht des Vorstands ist universal innerhalb der Grenzen der Rechtsfähigkeit der Stiftung, sie umfasst damit alle Belange, die die Verwirklichung des Stiftungszwecks und die Verwaltung des Stiftungsvermögens betreffen (vgl. Jakob, Schutz der Stiftung, 2006, 202 f.); ist aber hierauf nicht beschränkt in dem Sinne, dass eine Kompetenzbegrenzung durch den Stiftungszweck im Innenverhältnis etwa die Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis entsprechend dem "Ultra-vires"-Konzept zur Folge hätte. Die Ultra-vires-Lehre findet auf die Vertretungsverhältnisse juristischer Personen, die dem deutschen Recht unterliegen, nach ganz h. M. keine Anwendung. Richtigerweise kann die Vertretungsbefugnis des Vorstands nach außen auch nicht durch den Stiftungszweck begrenzt werden (MüKoBGB/Weitemeyer, 9. Aufl. 2021, § 86, Rn. 16; Staudinger/Hüttemann/Rawert, BGB, § 86, Rn. 18). Eine Beschränkung im Außenverhältnis entspräche auch nicht der Stiftungswirklichkeit in Deutschland, da ein allgemein zugängliches Register oder andere Bescheinigungsarten für die Vertretungsmacht, die mit öffentlichem Glauben ausgestattet wären, nicht existieren (s. u. zu den Stiftungsregistern und Vertretungsbescheinigungen, Rn. 110). Im Rechtsverkehr mit einer Stiftung kann kein Dritter ohne großen Aufwand die tatsächliche Vertretungsbefugnis eines Vorstandsmitglieds im Verhältnis zur vertretenen Stiftung ermitteln. Soweit eine a. A. auf ältere Rechtsprechung hierzu verweist (BGH v.16.01.1957 – IV ZR 221/56, NJW 1957, 708), geht diese Aussage aus der in Bezug genommenen Entscheidung nicht eindeutig hervor. Die Frage scheint allerdings höchstrichterlich nicht geklärt, denn ein teilweise als Entscheidung gegen das Ultra-vires-Konzept im Vereinsrecht angeführtes BGH-Urteil nimmt im Ergebnis zu dieser Frage nicht ausdrücklich Stellung, sondern betrifft die Auslegung des Vereinszwecks (BGH v. 28.04.1980 – II ZR, 193/79, NJW 1980, 2799).
Rz. 33
Der Verankerung der Regelungen zur Stiftungsorganisation im allgemeinen Recht folgend, ist für das Organ und seine Mitglieder das Verbot des In-sich-Geschäfts gem. § 181 BGB zu beachten. Allerdings kann die Stiftungssatzung hiervon allgemein oder für ein bestimmtes Mitglied befreien (Staudinger/Hüttemann/Rawert, BGB, § 86, 2017, Rn. 20).
Rz. 34
Teilweise enthalten die Stiftungsgesetze der Bundesländer strengere Vorgaben für die Vertretungsbefugnis des Vorstands. Diese sind allerdings nicht rechtlich bindend, da das BGB in § 86 BGB i. V. m. §§ 26 bis 28 BGB abschließende bundesrechtliche Regelungen trifft. Den Ländern fehlt folglich die Gesetzgebungskompetenz für strengere Vorgaben (Art. 72 Abs. 1 GG; vgl. Backert in Hau/Poseck, BeckOK BGB, Stand: 01.02.2021, § 86 Rn. 2.).
Die Satzung der Stiftung kann allerdings jederzeit engere Vorgaben für die Vertretungsmacht des Vorstandes treffen.
Rz. 35
Für den Mehrpersonen-Vorstand finden die vereinsrechtlichen Vorschriften Anwendung: Besteht der Vorstand aus mehr als einer Person, ist leicht zu übersehen, dass § 26 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 86 BGB für die wirksame (Aktiv-)Vertretung der Stiftung das Mehrheitsprinzip vorschreibt, dass also bspw. nicht der Grundsatz der Gesamtvertretung oder die Einzelvertretung gilt. Die Stiftung wird dann durch die Mehrheit der Mitglieder des Vorstands vertreten. Diese Mehrheit benötigt keine vorherige Beschlussfassung im Kollegialorgan gem. § 28 (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum RegE eines Gesetzes zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Vereinsregister und anderer vereinsrechtlicher Änderungen, BT-Drs. 16/...