Dr. Christoph Regierer, René Udwari
Rz. 77
Zu den erbrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Errichtung der Stiftung v.T.w. s. Rn. 59 ff. Sowohl die lebzeitig errichtete Stiftung als auch die Stiftung v.T.w. sind in der Gestaltungsberatung gegebenenfalls an das deutsche Pflichtteilsrecht anzupassen.
2.6.1 Pflichtteilsansprüche
Rz. 78
Ist die Stiftung bei Errichtung v.T.w. (§ 83 BGB) als Erbin des Stifters eingesetzt (zu den übrigen Gestaltungsmöglichkeiten s. Rn. 60), ist das Pflichtteilsrecht der gesetzlichen Erben des Stifters zu beachten (§§ 2303 BGB). Die Eigenschaft als Familienstiftung ändert hieran grundsätzlich nichts, da auch bei Erbeinsetzung einer Familienstiftung als selbstständiger Rechtsträger die gesetzlichen Erben insoweit von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Zum geringen Gestaltungsspielraum bei Familienstiftungen s. Rn. 157.
2.6.2 Pflichtteilsergänzung
Rz. 79
Schließlich sind bei der Konzeption einer Vermögensnachfolgegestaltung unter Beteiligung einer Stiftung auch familienrechtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen.
Daneben unterliegen lebzeitige Schenkungen des späteren EL der Pflichtteilsergänzung gem. § 2325 BGB. Der Wortlaut des Gesetzes erfasst nur Schenkungen, also zweiseitige Rechtsgeschäfte. Allerdings besteht in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit, dass zumindest auf die Stiftungsdotation das Pflichtteilsrecht Anwendung findet. Sind gesetzliche Erben vorhanden, ist damit erst nach Ablauf einer Frist von zehn Jahren die Vermögensübertragung auf die Stiftung pflichtteilsfest und muss die Stiftung keine Ansprüche der gesetzlichen Erben nach dem Tod des Stifters befürchten. Zustiftungen und Spenden an eine Stiftung sind Schenkungen. Sie unterliegen daher ohne Weiteres der Pflichtteilsergänzung (vgl. BGH vom 10.12.2003 – IV ZR 249/02, ZEV 2004, 115).
Rz. 80
In der Gestaltungsberatung von großer Bedeutung und besonderer stiftungsrechtlicher Relevanz ist im Zusammenhang mit Pflichtteilsergänzungsansprüchen die Frage zu betrachten, wann die 10-Jahres-Frist gem. § 2325 Abs. 3 BGB beginnt. Der Wortlaut des Gesetzes stellt auf den Leistungszeitpunkt der Schenkung ab (§ 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB: "seit der Leistung"). Nicht eindeutig geht aus dem Gesetz hervor, ob und in welchen Fällen der Fristbeginn gehemmt sein kann. Zu denken ist an Fälle, in denen sich der Stifter am gestifteten Vermögen einen Vorbehaltsnießbrauch bestellt und das Vermögen schon vor dem Übergang auf die Stiftung belastet oder in denen der Stifter sich nach Stiftungserrichtung von der Stiftung z. B. eine Leibrente gewähren lässt. Nach der Rechtsprechung ist eine "Leistung" i. S. d. § 2325 Abs. 3 BGB erst dann bewirkt ist, wenn der EL darauf verzichtet, den übertragenen Vermögensgegenstand "im Wesentlichen" weiter selbst zu nutzen (BGH vom 27.04.1994 – IV ZR 132/93, ZEV 1994, 233; BGH vom 29.06.2016 – IV ZR 474/15, ZEV 2016, 445), und nicht schon, wenn das bloße Eigentum auf den Beschenkten übergeht. Um sicher von einem Fristablauf des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ausgehen zu können, wird der Stifter auf Nutzungen am Stiftungsvermögen von mehr als 25 % ("im Wesentlichen") und dessen Kontrolle verzichten müssen (vgl. Werkmüller, ZEV 2018, 446). Rückforderungsrechte hemmen den Fristbeginn ebenfalls (OLG Düsseldorf vom 11.04.2008 – 7 U 70/07, ZEV 2008, 525; vgl. Gehse, RNotZ 2009, 361, 369).