Dr. Christoph Regierer, René Udwari
Rz. 85
Die Zahl der Stiftungen, zu deren Vermögen Unternehmen bzw. Unternehmensanteile gehören oder die nach ihrem Stiftungszweck ein Unternehmen führen sollen ("unternehmensverbundene Stiftungen"), ist in den letzten Jahren erheblich angestiegen. Zu unterscheiden sind dabei unternehmensverbundene Stiftungen im engeren Sinne, bei denen die Stiftung tatsächlich in der Rechtsform der Stiftung ein Unternehmen betreibt. Diese Form der Stiftung wird auch als Unternehmensträgerstiftung bezeichnet. Unternehmensstiftungen im weiteren Sinne sind dagegen Beteiligungs-Trägerstiftungen (s. Richter in Hüttemann/Richter/Weitemeyer, 422), bei denen die Stiftung das Unternehmen in Form einer selbstständigen PersG oder KapG führt. Die Stiftung hält an dieser Gesellschaft alle Gesellschaftsanteile oder zumindest deren Mehrheit.
Der Grund für die Errichtung einer Unternehmensstiftung im engeren oder weiteren Sinne liegt zumeist in dem Wunsch nach Kontinuität im Falle des Ablebens des Unternehmers oder eines Gesellschafters. Die Beteiligung an einer KapG ist dem Bereich der Vermögensverwaltung der Stiftung zuzuordnen. Die Tätigkeit der Gesellschaft als getrennter Vermögensinhaber ist für die Stiftung steuerlich unschädlich und gefährdet daher z. B. nicht deren Gemeinnützigkeit.
Rz. 86
Die unternehmensverbundene Stiftung ist nach heute weit verbreiteter Ansicht zulässig, ein Verbot in analoger Anwendung des § 22 BGB kommt nicht in Betracht (vgl. Rn. 85).
Zu beachten ist jedoch das in der Literatur weithin vertretene Verbot der Selbstzweckstiftung, wonach der satzungsmäßige Zweck einer unternehmensverbundenen Stiftung nicht allein im Erhalt des Unternehmens, also des Vermögens, bestehen darf (vgl. Staudinger/Hüttemann/Rawert, BGB, Vor §§ 80 ff. Rn. 8, 224 f.; Weitemeyer in MüKoBGB, § 80 Rn. 127.; K. Schmidt, DB 1987, 261; Schiffer/Pruns, ZStV 2012, 1). Das Halten eines Unternehmens oder von Unternehmensanteilen muss für die Stiftung daher immer nur buchstäblich Mittel zum "Zweck" sein.
Zu den möglichen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Familienstiftung unter Beteiligung eines Unternehmens s. Rn. 185. Varianten der unternehmensverbundenen Stiftung stellen die Doppelstiftung (s. Rn. 92) und die Stiftung & Co. KG dar (s. Rn. 102).
Rz. 87
Eine selbst wirtschaftlich tätige Unternehmensträgerstiftung untersteht sämtlichen handelsrechtlichen Vorschriften, wenn sie ein Handelsgewerbe betreibt, ohne allerdings Handelsgesellschaft und damit Form-Kaufmann i. S. d. § 6 HGB zu sein (Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 40. Aufl. 2021, § 6 Rn. 1). Es kommt daher für den Berater und später für die Stiftungsorgane i. R. ordnungsgemäßer Compliance darauf an, genau zu prüfen, ob und inwieweit die Tätigkeit der Stiftung ein Handelsgewerbe darstellt, das die Geltung der handelsrechtlichen Vorschriften zur Folge hätte. Künstlerische, wissenschaftliche oder freiberufliche Tätigkeiten unterfallen an sich nicht dem Gewerbebegriff, aber soweit nach der Verkehrsanschauung für die konkrete Art der Tätigkeit ein kaufmännischer Betrieb erforderlich ist, gelten auch freiberufliche und künstlerische Tätigkeiten als gewerbliche Tätigkeiten, somit betreibt auch die Unternehmensträgerstiftung, die als Zweckverwirklichungsbetrieb z. B. ein Theater, ein Krankenhaus, ein Labor o. Ä. unterhält, ein Handelsgewerbe (Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, § 1 Rn. 20).
Rz. 88
Demnach ist eine solche Stiftung auch in das Handelsregister einzutragen (Staudinger/Hüttemann/Rawert, BGB, Vor §§ 80 ff. Rn. 243). Die im Handelsregister eintragungspflichtigen Tatsachen ergeben sich für die Stiftung als juristische Person aus § 33 Abs. 2 HGB. Ob ein Rechtsformzusatz, und falls ja, welcher Zusatz anzugeben ist (e.K., "Stiftung bürgerlichen Rechts"), ist höchst umstritten (vgl. m. w. N. Jakob/M. Uhl in Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, beck-online.GROSSKOMMENTAR BGB, Stand: 01.10.2020, § 80 Rn. 503); eine einheitliche oder vorherrschende Registerpraxis lässt sich zu diesem Punkt noch nicht feststellen.
Rz. 89
Ebenso kann die unternehmensverbundene Stiftung die Stellung eines herrschenden Unternehmens im Konzernverbund einnehmen. Hinsichtlich der sich bspw. aus einem Gewinnabführungsvertrag ergebenden Pflicht zur Verlustübernahme hat die laufende Compliance des Stiftungsvorstands und ggf. der Aufsichtsorgane jedoch zu jeder Zeit zu prüfen, ob das bestehende Haftungspotenzial aus dem Konzernverbund das Stiftungsvermögen oder die Erfüllung des Stiftungszwecks gefährdet, und im Zweifel geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen (vgl. Weitemeyer in MüKoBGB, § 80 Rn. 219).
Rz. 90
Grundsätzlich ist die Stiftung nicht umwandlungsfähig i. S. d. UmwG (vgl. § 3 Abs. 1). Allerdings ermöglicht § 124 UmwG die Ausgliederung von Vermögen durch eine Stiftung. Dazu sieht das UmwG Spezialvorschriften vor (§§ 161 bis 167 UmwG). Den umgekehrten Fall der Aufnahme von ausgegliedertem Vermögen durch eine Stiftung nennt das Gesetz nicht als möglich. Die Ausgliederung durch die Stiftung ist nur möglich zur Aufnahme durch oder Neugründung von Pe...