Dr. Christoph Regierer, René Udwari
Rz. 205
Die o. g. Zwecke müssen nach dem Wortlaut des Gesetzes der §§ 52 bis 54 AO selbstlos gefördert werden, sodass Selbstlosigkeit eine (subjektive) Voraussetzung innerhalb der drei steuerbegünstigten Zwecke ist.
Rz. 206
Das Gebot der Selbstlosigkeit gem. § 55 AO verbietet eine Verfolgung von eigenwirtschaftlichen Zwecken in erster Linie und gebietet die Einhaltung der Vorschriften zur Mittelverwendung (Nr. 1 und 5), zur Rückzahlung von Kapitalanteilen und Sacheinlagen (Nr. 2), zum Begünstigungsverbot (Nr. 3) und zum Grundsatz der Vermögensbindung (Nr. 4). Die Vorschrift statuiert zum einen die subjektive Gemeinnützigkeit sowie gesetzlich kodifizierte Ausprägungen (Nrn. 1 bis 5) der Selbstlosigkeit.
Die Körperschaft muss gem. § 55 Abs. 1 HS 1 AO in erster Linie selbstlos handeln. Es geht darum, weshalb bzw. wie die Körperschaft die Allgemeinheit (§ 52 AO) fördert bzw. unterstützt. Selbstlosigkeit als subjektive Gemeinnützigkeit ist die innere Einstellung bzw. Absicht oder Motivation, mit der die steuerbegünstigte Zweckverfolgung (objektive Gemeinnützigkeit) unternommen wird.
Rz. 207
Selbstlosigkeit bedeutet, dass eine Handlung nicht auf der inneren Einstellung des eigenen Vorteils basiert, sondern der Nutzen für andere Motivation des Handelns ist. Es ist opferwilliges Handeln unter Verzicht auf den eigenen Nutzen. Die subjektiv selbstlose Gesinnung muss die treibende Kraft der Tätigkeit, also die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke (objektive Gemeinnützigkeit), sein. Ein mit den steuerbegünstigten Zwecken verbundener wirtschaftlicher Vorteil zugunsten der Körperschaft oder ihrer Mitglieder ist zulässig (BFH vom 26.04.1989, BStBl II 1989, 670). Dieser Nutzen muss nur gegenüber der steuerbegünstigten Zwecksetzung nachrangig sein, darf dieser also nicht das Gepräge geben. Dies wäre dann anzunehmen, wenn die mit dem Begriff der Selbstlosigkeit verbundene Opferwilligkeit zugunsten anderer wegfällt oder in den Hintergrund gedrängt wird und an deren Stelle Eigennutz tritt. In Ausübung der ideellen Zweckverfolgung dürfen demnach untergeordnet eigenwirtschaftliche Zwecke durchaus verfolgt werden. Die Absicht einer Körperschaft, Gewinne zu erzielen und das eigene Vermögen zu mehren, steht nicht im Widerspruch zur Verfolgung ideeller Zwecke, solange die idealistische Zweckverwirklichung die "Hauptintention" der Körperschaft ist. Selbstlosigkeit bedeutet deshalb, dass zwecks Schutzes des Vertrauens in den idealen Mehrwert durch die Organisation und ihre Initiatoren dominant ideelle und nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt werden.
Rz. 208
Diese subjektive Gemeinnützigkeit muss aus dem Gesamtbild objektiv erkennbarer Verhältnisse ermittelt werden.
7.2.4.1 Die Mittelverwendung
Rz. 209
Das in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO normierte Mittelverwendungsgebot wird unterteilt in ein Gebot der unmittelbaren und der zeitnahen Mittelverwendung.
7.2.4.2 Die unmittelbare Mittelverwendung
Rz. 210
Die Körperschaft (Stiftung) darf ihre Mittel nur für satzungsmäßige Zwecke verwenden. Hierunter fallen nicht nur die der Körperschaft durch Spenden oder Erträge ihres Vermögens (bzw. ihrer wirtschaftlichen Zweckbetriebe) zur Verfügung gestellten Geldbeträge, sondern sämtliche Vermögenswerte der Körperschaft.
Hinweis: Keine (schädliche) Zuwendung i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO liegt vor, wenn der Leistung der Körperschaft eine Gegenleistung des Empfängers gegenübersteht (z. B. Kauf-, Dienst- oder Werkverträge) und die Werte von Leistung und Gegenleistung nach wirtschaftlichen Grundsätzen gegeneinander abgewogen sind.
7.2.4.3 Die zeitnahe Mittelverwendung
Rz. 211
Die Mittel müssen innerhalb einer bestimmten Frist (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO) mit Ausnahme der zulässigen Rücklagen verwendet werden. Dabei umfasst der Begriff der Verwendung nicht nur die laufenden Aufwendungen, sondern auch die Mittel zur Anschaffung von – satzungsgemäß benötigten – Gegenständen.
Rz. 212
Eine zeitnahe Mittelverwendung ist gegeben, wenn die Mittel spätestens in dem auf den Zufluss folgenden zwei Kalender- oder Wirtschaftsjahren für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Am Ende des Kalender- oder Wirtschaftsjahres noch vorhandene Mittel müssen in der Bilanz oder Vermögensaufstellung der Körperschaft zulässigerweise dem Vermögen oder einer zulässigen Rücklage zugeordnet oder als im zurückliegenden Jahr zugeflossene Mittel, die im folgenden Jahr für die steuerbegünstigten Zwecke zu verwenden sind, ausgewiesen sein.
Hinweis: Soweit Mittel nicht schon im Jahr des Zuflusses für die steuerbegünstigten Zwecke verwendet oder soweit zulässig dem Vermögen zugeführt werden, muss ihre zeitnahe Verwendung durch eine Nebenrechnung nachgewiesen werden (Mittelverwendungsrechnung).
Rz. 213
Die Bildung von Rücklagen ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 62 AO zulässig.
Hinweis: Folgende Zuwendungen unterliegen nicht dem Gebot der zeitnahen Verwendung:
- die erstmalige Ausstattung mit dem Stiftungsgrundvermögen (das sog. Ausstattungskapital), da dieses auf Dauer der Stiftung zur Verfügung stehen muss; dies gilt auch für spätere Sachzuwendungen.
- Zuwendungen von T...