Dr. Christoph Regierer, René Udwari
Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eine satzungsmäßige Grundlage haben (formelle Satzungsmäßigkeit) und sich in der tatsächlichen Geschäftsführung widerspiegeln (materielle Satzungsmäßigkeit).
7.2.8.1 Formelle Satzungsmäßigkeit
Rz. 230
Die o. g. materiellen Anforderungen der §§ 52 bis 57 AO müssen in der Satzung der Körperschaft gem. § 59 AO inhaltlich aufgenommen und somit buchmäßig dokumentiert werden. Dies sind i. V. m. §§ 60, 61 AO die Festlegung des Satzungszwecks i. S. d. §§ 52 bis 54 AO und der wesentlichen Maßnahmen seiner Verwirklichung in der Art und Weise, dass kein Interpretationsspielraum übrig bleibt, sowie die selbstlose, ausschließliche und unmittelbare Zweckverfolgung. Aus dem Ausschließlichkeitsgrundsatz folgt, dass keine wirtschaftlichen und vermögensverwaltenden Tätigkeiten zum Satzungszweck erklärt werden dürfen. Insb. bei Neugründungen wird der Satzung eine hohe Bedeutung beigemessen, da eine Prüfung der Anerkennung als steuerbegünstigte Körperschaft i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i. V. m. §§ 51ff. AO nur aufgrund der Satzung erfolgen kann. Das FA stellt in diesem Fall nur eine vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit aus. Die Körperschaft genießt für ihre geprüfte Satzung Vertrauensschutz (BMF vom 17.11.2004, BStBl I 2004, 1059).
Rz. 231
Um Rechtssicherheit zu schaffen, wurde mit dem Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes vom 21.03.2013 § 60a AO eingeführt. Das vorherige Verfahren wurde durch ein Feststellungsverfahren ersetzt. Erfüllt die Satzung einer Körperschaft die Voraussetzungen der §§ 51, 59, 60 und 61 AO, dann wird dies künftig nach § 60a AO festgestellt. Diese Feststellung erfolgt entweder auf Antrag der Körperschaft oder bei der Veranlagung der Körperschaft von Amts wegen, wenn noch kein Bescheid nach § 60a AO ergangen ist.
Rz. 232
Der Feststellungsbescheid entfaltet Bindungswirkung sowohl für die Besteuerung der Körperschaft als auch für die Besteuerung der Spender. Die Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn die Rechtsvorschriften, auf denen die Feststellung beruht, aufgehoben oder geändert werden, § 60a Abs. 3 AO. Treten für die Feststellung erhebliche Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen ein, dann ist die Feststellung ab diesem Zeitpunkt aufzuheben, § 60a Abs. 4 AO.
7.2.8.2 Materielle Satzungsmäßigkeit
Rz. 233
Bereits § 59 Abs. 1 HS 2 AO bestimmt, dass die tatsächliche Geschäftsführung mit den Satzungsvorschriften übereinstimmen muss, d. h. dass die formal in der Satzung festgelegte steuerbegünstigte Zweckverfolgung tatsächlich durchgeführt bzw. "gelebt" wird. Diese materielle Satzungsmäßigkeit wird in § 63 AO konkretisiert.
Rz. 234
Vor allem die satzungsmäßige Verwendung der Mittel (vgl. § 63 Abs. 3 AO) ist Bestandteil der tatsächlichen Geschäftsführung. Ebenso gehört das Ausstellen von Spendenbescheinigungen zur tatsächlichen Geschäftsführung.
Körperschaften sind nur über ihre Organe handlungsfähig. Demzufolge haben die gesetzlichen Vertreter gem. § 34 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Bei mehreren geschäftsführungsberechtigten Personen müssen deren gemeinsame Handlungen (oder einzelne Handlungen mit Zustimmung der übrigen) dem Erfordernis der satzungsmäßigen Geschäftsführung entsprechen. Jeden von ihnen trifft die Pflicht zur Geschäftsführung und grds. die Verantwortung für die Geschäftsführung im Ganzen (solidarische Gesamtverantwortung).
Rz. 235
Die tatsächliche Geschäftsführung bedarf zwar keines unmittelbaren Erfolges, aber die Körperschaft muss sich in satzungsweisender Richtung und mit satzungsgemäßer Zielsetzung betätigen. Ferner muss die jeweilige Tätigkeit geeignet sein, die Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke herbeizuführen. Eine wirtschaftliche Betätigung schließt § 63 Abs. 1 AO nicht aus. Das gilt nicht nur, wenn die Verwirklichung des steuerbegünstigten Satzungszweckes in der wirtschaftlichen Tätigkeit selbst liegt (vgl. Zweckbetrieb: §§ 65, 67a, 68 AO), sondern auch, wenn die wirtschaftliche Betätigung als ein Mittel zur Finanzierung der satzungsmäßigen Zwecke beiträgt und keinen solchen Umfang annimmt, dass die steuerbegünstigten Zwecke in den Hintergrund gedrängt werden.
Rz. 236
Gem. § 63 Abs. 2 AO i. V. m. § 60 Abs. 2 AO muss die tatsächliche Geschäftsführung für die KSt und GewSt dem satzungsgemäßen Zweck während des ganzen Veranlagungs- bzw. Erhebungszeitraums entsprechen.