Rz. 17
Ist die maßgebliche Kollisionsnorm i. R. d. Qualifikation bestimmt, ist mithilfe des Anknüpfungspunktes das anwendbare Recht zu bestimmen. Gängige Anhaltspunkte sind die Staatsangehörigkeit, der Wohnsitz, der (gewöhnliche oder schlichte) Aufenthalt (im anglo-amerikanischen Rechtskreis das Domicile, das jedoch begrifflich nicht genau dem gewöhnlichen Aufenthalt entspricht), die Belegenheit einer Sache oder der Ort einer Handlung.
Rz. 18
Nach altem Recht war Anknüpfungspunkt für das Erbstatut gem. Art. 25 EGBGB das Recht der Staatsangehörigkeit des EL. Seit Geltung der EU-ErbVO ist Anknüpfungspunkt dagegen gem. Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO grds. das Recht des Staates, in dem der EL zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Aus Sicht der EU-ErbVO wird nun also an den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft. Bei der Bestimmung des Testamentsformstatuts ist Art. 27 Abs. 1 EU-ErbVO zu beachten, welcher zahlreiche Anknüpfungspunkte liefert.
Rz. 19
Obwohl der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes einer der Schlüsselbegriffe der EU-ErbVO ist, der neben der Anknüpfung für das Erbstatut auch Anknüpfung für das Errichtungsstatut, die internationale Zuständigkeit für gerichtliche Streitigkeiten und die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses ist, ist er in der EU-ErbVO nicht definiert. In den meisten Fällen in der Praxis dürfte die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts keine Schwierigkeiten bereiten. Insoweit werden die Schlagworte "Daseinsmittelpunkt" und "Lebensmittelpunkt" ausreichen, um den gewöhnlichen Aufenthalt einer Person zu bestimmen. Durch die Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes wurde die Entscheidung der problematischen Grenzfälle bewusst der Rechtsprechung überlassen. Der Erläuterung des Begriffs wurden zwei Erwägungsgründe gewidmet:
EG 23 EU-ErbVO:
"In Anbetracht der zunehmenden Mobilität der Bürger sollte die Verordnung zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Rechtspflege in der Union und einer wirklichen Verbindung zwischen dem Nachlass und dem Mitgliedsstaat, in dem die Erbsache abgewickelt wird, als allgemeinen Anknüpfungspunkt zum Zwecke der Bestimmung der Zuständigkeit und des anzuwendenden Rechts den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes vorsehen. Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts sollte die mit der Erbsache befasste Behörde eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vornehmen und dabei alle relevanten Tatsachen berücksichtigen, insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. Der so bestimmte gewöhnliche Aufenthalt sollte unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele dieser Verordnung eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen."
EG 24 EU-ErbVO:
"In einigen Fällen kann es sich als komplex erweisen, den Ort zu bestimmen, an dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn sich der Erblasser aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen – unter Umständen auch für längere Zeit – in einen anderen Staat begeben hat, um dort zu arbeiten, aber eine enge und feste Bindung zu seinem Herkunftsstaat aufrecht erhalten hat. In diesem Fall könnte – entsprechen den jeweiligen Umständen – davon ausgegangen werden, dass der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in seinem Herkunftsstaat hat, in dem sich in familiärer und sozialer Hinsicht sein Lebensmittelpunkt befand. Weitere komplexe Fälle können sich ergeben, wenn der Erblasser abwechselnd in mehreren Staaten gelebt hat oder auch von Staat zu Staat gereist ist, ohne sich in einem Staat für längere Zeit niederzulassen. War der Erblasser ein Staatsangehöriger einer dieser Staaten oder hatte er alle seine wesentlichen Vermögensgegenstände in einem dieser Staaten, so könnte seine Staatsangehörigkeit oder der Ort, an dem diese Vermögensgegenstände sich befinden, ein besonderer Faktor bei der Gesamtbeurteilung aller tatsächlichen Umstände sein."
Rz. 20
Trotz der Anhaltspunkte zur Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts in den Erwägungsgründen kann dieser im Einzelfall nicht zweifelsfrei zu bestimmen sein, insb. bei einem Umzug des EL einige Jahre vor seinem Tod oder bei gleichzeitigen Aufenthalten in zwei oder sogar mehreren Ländern. Gemäß Art. 21 Abs. 2 EU-ErbVO ist das am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des EL geltende Recht nicht anzuwenden, wenn sich ausnahmsweise aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der EL im Zeitpunkt seines Todes eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat hatte. Es gilt dann das Recht des Staates mit der engeren Verbindung.
Da der Erwägungsgrund 23 S. 2 EU-ErbVO bereits verlangt, dass bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des EL eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des EL in den Jahren vor seinem Tod vorgenommen wird und dabei alle relevanten Tatsachen berücksichtigt werden, ...