Rz. 98
Bei der Nachfolgeplanung mit Auslandsbezug kommt dem Zusammenspiel von anzuwendendem Erbrechtstatut und Erbschaftsteuerrecht in den betroffenen Ländern besondere Bedeutung zu. Die auf diesem Gebiet teilweise erheblich voneinander abweichenden Regelungen in den Rechtsordnungen der einzelnen Staaten lassen sich häufig auf die Zugehörigkeit zu grundlegend verschiedenen Rechtssystemen zurückführen. In den für die Nachfolge deutscher EL relevanten Ländern ist dies einerseits das romanische Recht, das sich in den meisten kontinentaleuropäischen Ländern findet und auf der anderen Seite das Common law im angloamerikanischen Bereich. Diese Systeme haben aufgrund der unterschiedlichen historischen Einflüsse und der kontinuierlich fortschreitenden Gesetzgebung in allen Staaten jeweils selbstständige Ausformungen erhalten. Bei der grundsätzlichen Behandlung von Erbfällen lassen sich aber noch charakteristische Besonderheiten nachweisen, die auf die gemeinsamen Wurzeln zurückzuführen sind. So handelt es sich auch bei der deutschen Zivilrechtsordnung prinzipiell um germanisches Recht, das aber stark vom romanischen Recht geprägt ist. Diese generellen Merkmale sind i. R. jeder Nachfolgeplanung von Bedeutung und müssen gerade bei der Kollision mehrerer Rechtsordnungen berücksichtigt werden. Das folgende Kapitel soll vor der eingehenden Darstellung der Erbrechts- und Erbschaftsteuerrechtslage einzelner Länder dazu dienen, anhand einiger ausgewählter Merkmale ein grundlegendes Verständnis für die Vermögensnachfolge in beiden Systemen zu vermitteln.
Rz. 99
Dabei ist zu beachten, dass selbst innerhalb der beiden genannten Rechtssysteme oft ähnliche Strukturen erkennbar sind. Solche wiederkehrenden Muster sind vor allem auf den bedeutenden Einfluss einzelner bahnbrechender Gesetzeswerke zurückzuführen. Im Bereich der kontinentaleuropäischen Staaten lässt sich bei einigen Rechtsordnungen die Verwandtschaft zum französischen Code Civil deutlich feststellen. Dies gilt hauptsächlich für die Rechtssysteme Spaniens, Portugals und der Beneluxstaaten. Dem Verständnis einzelner erbrechtlicher Instrumentarien der genannten Länder kann somit der Vergleich mit dem Code Civil dienen (Edenfeld, ZEV 2001, 457).
6.1 Anzuwendendes Erbrechtstatut: Nachlasseinheit oder Nachlassspaltung
Rz. 100
In den Staaten mit romanischem Recht gilt der Grundsatz der Nachlasseinheit. Sämtliches Vermögen des EL vererbt sich nach dessen Heimatrecht (Lex patriae) bzw. nach dem Recht des Staates in dem der EL seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte (EU-ErbVO). Demnach richtet sich auch die Nachfolge in das in Ländern mit romanischem Recht belegene Vermögen ausländischer Staatsangehöriger in den meisten Fällen nach dem Heimatrecht bzw. dem Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des EL. Nach der EU-ErbVO besteht eine begrenzte Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Erbrechts. So kann ein EL stets das Recht desjenigen Staates wählen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Für die Nachfolgeplanung eines deutschen Staatsangehörigen mit Vermögen in kontinentaleuropäischen Staaten kommt dem Ort seines letzten gewöhnlichen Aufenthalts damit nur dann keine entscheidende Bedeutung zu, wenn er eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts getroffen hat.
Rz. 101
Die angloamerikanischen Länder hingegen folgen i. d. R. dem Grundsatz der Nachlassspaltung (so z. B. die meisten Staaten der USA, England, Südafrika, Australien). Das Anknüpfungskriterium für das Erbstatut beurteilt sich dabei für die einzelnen Vermögensgegenstände unterschiedlich. Gewöhnlich richtet sich die Nachfolge in bewegliches Vermögen nach dem Recht des letzten Domizils des EL, während für die Nachfolge in unbewegliches Vermögen das Recht des Belegenheitsstaates eingreift. In dem häufig anzutreffenden Fall, dass ein deutscher EL auch Immobilienvermögen in den USA besaß, sind folglich mehrere Erbstatute anwendbar. Dies führt zu wesentlich größeren Problemen i. R. d. internationalen Nachfolgeplanung, da die einzelnen Statute nicht aufeinander abgestimmt sind. Ein zu errichtendes Testament muss somit hinsichtlich Form und Inhalt den Wirksamkeitsvoraussetzungen verschiedener Erbrechtsordnungen genügen oder es sind für die einzelnen Nachlassgegenstände sogar mehrere gleichlaufende Testamente zu errichten.
6.2 Nachlassverfahren: Testamentsvollstreckung
Rz. 102
I.d.R. ist in den Ländern mit Common law eine Testamentsvollstreckung zwangsweise vorgeschrieben. So ordnet das englische Erbrecht eine strikte Trennung zwischen Erbschaftsverwaltung und Nachlassverteilung an. Mit dem Eintritt des Erbfalls geht der Nachlass nicht unmittelbar auf den oder die Erben über. Vielmehr wird die Erbschaft zunächst auf einen Testamentsvollstrecker (sog. Personal representative) übertragen, dem es obliegt, im Wege einer gesetzlich angeordneten Nachlassverwaltung (Administration of estate) die Nachlassverbindlichkeiten, so auch die Erbschaftsteuer, zu begleichen. Anschließend verteilt er den Überschuss an die Personen, die kraft Gesetz oder Testament letztlich begünstigt werden sollen. Ein derartig förmliches Verfahren ist in Ländern mit romanische...