Dr. Stefan Königer, Dennis Helwig
2.1 Unbeschränkte Erbschaft-/Schenkungsteuerpflicht
Rz. 9
Die unbeschränkte Erbschaft-/Schenkungsteuerpflicht tritt gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG für den gesamten Erwerb, d. h. auch für ausländisches Vermögen (Weltvermögensprinzip), ein, wenn beim Erwerb von Todes wegen der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes oder der Erwerber im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld ein Inländer ist.
Rz. 10
Bei einer Schenkung unter Lebenden unterliegt der Erwerb der unbeschränkten Erbschaft-/Schenkungsteuerpflicht, wenn der Schenker im Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung oder der Beschenkte im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld ein Inländer ist.
Rz. 11
Als Inländer gelten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, die ins Ausland verzogenen deutschen Staatsbürger für die Dauer von fünf Jahren und unter bestimmten Voraussetzungen Auslandsbedienstete.
Rz. 12
Der Begriff des Inlands wird durch das ErbStG selbst nicht definiert. Er umfasst unstreitig das gesamte Bundesgebiet. Gem. § 8 AO hat eine Person ihren Wohnsitz im Inland, wenn sie eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lässt, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Für den Wohnsitz ist hierbei nicht auf den Meldewohnsitz abzustellen. Der steuerliche Wohnsitz knüpft vielmehr ausschließlich an die tatsächlichen Gegebenheiten an.
Beispiel:
Der Schenker hat sich beim Einwohnermeldeamt abgemeldet und dort angegeben nach Österreich zu verziehen. Er behält aber eine Wohnung in München, in die er auch regelmäßig für Aufenthalte in Deutschland zurückkehrt. Aus deutscher steuerlicher Sicht besteht weiterhin ein Wohnsitz im Inland.
Rz. 13
Das Steuerrecht hat einen eigenen, vom bürgerlichen Recht abweichenden Wohnsitzbegriff entwickelt. Der steuerrechtliche Wohnsitzbegriff des § 8 AO unterscheidet sich von dem der §§ 7 und 8 BGB dadurch, dass er nicht auf den rechtsgeschäftlichen Willen des Steuerpflichtigen, sondern auf die tatsächliche Gestaltung abstellt und insgesamt an objektive Merkmale anknüpft. Subjektive Momente sind unbeachtlich. Maßgebend ist der objektive Zustand, das Innehaben einer Wohnung und die Umstände, "die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird" (BFH vom 17.05.1995, I R 8/94, BStBl II 1996, 2; vom 24.07.1996, I R 74/95, BStBl II 1997, 132; vom 19.03.1997, I R 69/96, BStBl II 1997, 447).
Rz. 14
Besteht dieser Zustand objektiv, ist ein entgegenstehender Wille des Steuerpflichtigen unbeachtlich. Unerheblich ist insoweit auch, ob ausländerrechtliche Bestimmungen einem dauerhaften Verbleib im Inland entgegenstehen. Der Steuerpflichtige kann einen oder mehrere Wohnsitze haben. Für die Anknüpfung der Besteuerung reicht ein inländischer Wohnsitz aus. Dieser muss nicht Lebensmittelpunkt sein. Eine Wohnung stellen alle zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten dar.
Rz. 15
Die Wohnung muss insgesamt eine den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen entsprechende Bleibe darstellen. Die Räumlichkeiten brauchen nicht angemessen oder gar standesgemäß zu sein. Unerheblich ist, ob es sich um einen ersten, zweiten oder weiteren Wohnsitz handelt. Das Steuerrecht kennt keine derartige Unterscheidung. Ebenfalls unerheblich ist, ob die Wohnung mit eigenen oder fremden Möbeln ausgestattet ist. Auch möblierte Zimmer können eine Wohnung sein, insbesondere bei ledigen Personen, wenn diese am Ort des möblierten Zimmers arbeiten.
Rz. 16
Der Steuerpflichtige muss die Wohnung innehaben, d. h. er muss tatsächlich über sie verfügen können und sie als Bleibe entweder ständig benutzen oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit, wenn auch in größeren Zeitabständen, aufsuchen. Die zeitliche Grenze, von der ab eine gewisse Regelmäßigkeit der Benutzung angenommen werden kann, ist nicht gesetzlich festgelegt. Insoweit kommt es stets auf eine abwägende Beurteilung des Einzelfalls an.
Rz. 17
Das Innehaben setzt weiter voraus, dass die Wohnung von dem Steuerpflichtigen beibehalten und benutzt wird. Maßgebend ist der objektive Zustand, nämlich das Innehaben der Wohnung unter Umständen, die den Schluss rechtfertigen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung für seine eigenen Zwecke beibehalten und benutzen wird.
Rz. 18
Bei einer Prognoseentscheidung müssen aus den äußeren objektiven Tatsachen Schlüsse auf das künftige Verhalten gezogen werden. Dafür kommen alle Umstände des Einzelfalls in Betracht, die nach der Lebenserfahrung den Schluss auf ein Beibehalten und Benutzen zulassen. Die Wohnsitzdefinition des § 8 AO gilt grundsätzlich auch, soweit ein Doppelbesteuerungsabkommen eingreift. Die unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht bestimmt sich allein nach nationalem Recht, insbesondere danach, ob die Anknüpfungsmerkmale des nationalen Rechts, zu denen der Wohnsitzbegriff gehört, erfüllt sind oder nicht.
Rz. 19
Während eine Person mehrere Wohnsitze im In- und Ausland haben kann, kann sie nur an einem Ort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (BFH vom 09.02.1966, I 244/63, BStBl III 1966,...