Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansatz von Steuererstattungsansprüchen beim sonstigen Vermögen
Leitsatz (amtlich)
Auch beim sonstigen Vermögen waren Steuererstattungsansprüche jedenfalls solange nicht als Kapitalforderungen zu erfassen, als ihre Geltendmachung an noch bestehenden Steuerbescheiden scheiterte.
Normenkette
AO 1977 § 37 Abs. 2, § 38; BewG § 110 Abs. 1 Nr. 1; VStR Abschn. 59
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der am 3. Februar 1998 verstorbenen A, die ihrerseits Rechtsnachfolgerin ihres 1995 verstorbenen Ehemanns war. Mit Bescheiden vom 20. März 1998 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) gegen die Klägerin in ihrer Eigenschaft als unmittelbare bzw. mittelbare Rechtsnachfolgerin der Eheleute Vermögensteuer auf den 1. Januar 1993 und 1995 in Höhe von 22 015 DM bzw. 31 560 DM fest. Dabei berücksichtigte das FA Steuererstattungsansprüche auf den 1. Januar 1993 in Höhe von 496 181 DM und auf den 1. Januar 1995 in Höhe von 981 022 DM. Den Steuererstattungsansprüchen lagen geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1989 bis 1994 zugrunde, die zwischen Oktober 1996 und Januar 1997 ergangen waren.
Die Klägerin war demgegenüber der Ansicht, die Steuererstattungsansprüche könnten noch nicht berücksichtigt werden, da die geänderten Einkommensteuerbescheide erst nach den maßgeblichen Stichtagen 1. Januar 1993 und 1995 erlassen worden seien. Die Steuererstattungsansprüche hätten zu den streitigen Stichtagen wegen entgegenstehender anderweitiger Steuerfestsetzungen noch nicht geltend gemacht werden können. Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage unter Berufung auf die beiden Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Oktober 1997 II R 56/94 (BFHE 184, 111, BStBl II 1997, 796) und vom 15. März 2000 II R 15/98 (BFHE 191, 403, BStBl II 2000, 588) statt.
Mit der Revision rügt das FA eine fehlerhafte Anwendung des § 110 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes in der zu den streitigen Stichtagen geltenden Fassung (BewG). Die Ansicht des FG, wonach es nicht darauf ankomme, wann die Steuererstattungsansprüche materiell-rechtlich entstanden seien, sondern darauf, ab wann sie auch formell hätten durchgesetzt werden können, sei falsch und überdies mit den §§ 37 und 38 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht zu vereinbaren. Sie widerspreche auch Abschn. 59 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1993/1995. Auf die Entscheidung des BFH in BFHE 184, 111, BStBl II 1997, 796 berufe sich das FG zu Unrecht, weil sie betriebliche Steueransprüche betreffe. Soweit das FG meine, es mache keinen Unterschied, ob die Steuererstattungsansprüche betrieblicher oder privater Natur seien, ziehe es aus dem Urteil des BFH in BFHE 191, 403, BStBl II 2000, 588 zu weitreichende Schlüsse.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat beim steuerpflichtigen Vermögen zu Recht die streitigen Steuererstattungsansprüche nicht berücksichtigt.
1. Ansprüche auf Erstattung privat gezahlter Steuern gehören zu den Kapitalforderungen, die gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 1 BewG dem sonstigen Vermögen und damit dem Gesamtvermögen i.S. der §§ 114 Abs. 1, 118 BewG zuzuordnen sind. Derartige Forderungen sind dann anzusetzen, wenn sie zum maßgeblichen Stichtag bereits entstanden und noch nicht erfüllt sind. Hinzu kommen muss, dass ihre Realisierung am Stichtag möglich ist. Eine rechtlich entstandene Forderung ist folglich nur dann zu berücksichtigen, wenn sie am maßgeblichen Stichtag auch tatsächlich und rechtlich durchgesetzt werden kann. Dies ist mit den BFH-Urteilen vom 5. März 1997 II R 92/94 (BFH/NV 1997, 551) sowie in BFHE 184, 111, BStBl II 1997, 796 zwar nur bezogen auf betriebliche Kapitalforderungen ausgesprochen worden; entgegen der Annahme des FA besteht aber insoweit kein Unterschied zwischen betrieblichen und privaten Kapitalforderungen. Das FA hat auch keinen Grund dafür nennen können, weshalb private Kapitalforderungen anders behandelt werden sollten. Im Gegenteil hat es sich mit seinem Hinweis auf Abschn. 59 VStR 1993/1995 auf Verwaltungsanweisungen berufen, die bei weitgehender Inhaltsgleichheit zunächst auf betriebliche und private Steuererstattungsansprüche gleichermaßen (Abschn. 47 Abs. 1 und 59 Abs. 1 VStR 1983) und erst ab 1993 nur noch auf private Steuererstattungsansprüche bezogen waren. Dies zeigt, dass auch die Finanzverwaltung davon ausgegangen ist, dass zumindest für den Ansatz solcher Kapitalforderungen, bei denen es sich um betriebliche oder private Steuererstattungsansprüche handelt, ursprünglich ―nämlich bis zum In-Kraft-Treten des Steueränderungsgesetzes 1992― die gleichen Grundsätze gegolten haben. Für den umgekehrten Fall der Steuerschulden ergibt sich die Gleichbehandlung bereits aus dem Gesetz, nämlich aus § 105 BewG einerseits und § 118 Abs. 1 Nr. 1 BewG andererseits.
2. Wegen dieses zusätzlichen Erfordernisses der Realisationsmöglichkeit für den Ansatz einer Kapitalforderung, das beim Ansatz von Kapitalschulden sein Gegenstück in dem Erfordernis der wirtschaftlichen Belastung hat (vgl. dazu Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 15. Aufl. 1989, § 95 BewG Anm. 48), kommt es im Streitfall nicht darauf an, ob die Entstehung von Steuererstattungsansprüchen materiell-rechtlich oder formal-rechtlich zu bestimmen ist. Der Ansatz der Einkommensteuererstattungsansprüche scheidet so oder so aus, weil die Ansprüche jedenfalls an den maßgeblichen Stichtagen 1. Januar 1993 und 1995 noch nicht durchsetzbar waren. Dem stand entgegen, dass die Einkommensteuer der Jahre 1989 bis 1994 zu diesen Stichtagen noch in der Höhe festgesetzt war, die erst durch die Änderungsbescheide aus den Jahren 1996 und 1997 der materiellen Rechtslage angepasst worden ist. Diese fehlerhaften ursprünglichen Einkommensteuerbescheide hinderten zwar dann, wenn man die Entstehung von Steuererstattungsansprüchen materiell-rechtlich bestimmen wollte, deren Entstehung nicht; solange die ursprünglichen Bescheide jedoch bestanden, legten sie fest, ob und in welcher Höhe ein Erstattungsanspruch geltend gemacht werden konnte (BFH-Urteile in BFHE 184, 111, BStBl II 1997, 796, sowie vom 7. März 1968 IV R 278/66, BFHE 92, 153, BStBl II 1968, 496).
Fundstellen
Haufe-Index 1090594 |
BFH/NV 2004, 391 |
BStBl II 2004, 203 |
BFHE 2004, 512 |
BFHE 203, 512 |
BB 2004, 311 |
DB 2004, 362 |
DStRE 2004, 277 |
HFR 2004, 200 |