Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung von Geldzuwendungen im Zusammenhang mit nachbarschaftlichen Hilfsleistungen im Bereich Pflege und Betreuung
Leitsatz (redaktionell)
- Nachbarschaftliche Hilfeleistungen, die nach dem Gesamtbild der Umstände nicht mit Pflegetätigkeiten gleichzusetzen sind, die typischerweise im Rahmen eines Leistungsaustausches gegen Entgelt erbracht werden bzw. eine Gegenleistung auslösen, können der einkommensteuerlich unbeachtlichen Privatsphäre zuzuordnen sein.
- Von dem Bereich der steuerbaren sonstigen Leistung sind die Fälle zu unterscheiden, in denen tatsächlich keine erwerbswirtschaftlichen Zwecke, sondern private Motive (im Streitfall: langjährige Nachbarschaft und freundschaftliche Verbundenheit) für das Verhalten des Steuerpflichtigen entscheidend sind.
- Eine erst nachträglich (im Streitfall: 8 Jahre nach Beginn der Hilfeleistungen) gezahlte „Vergütung” für zuvor erbrachte nachbarschaftliche Hilfeleistungen kann in einem solchen Fall als unentgeltliche Zuwendung (Schenkung) zu werten sein.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 3, § 22 Nr. 3
Tatbestand
Streitig ist die Besteuerung einer Einmalzahlung zur rückwirkenden Abgeltung von „Tätigkeiten” und Kosten im Zusammenhang mit einer 8 Jahre zuvor erteilten Vorsorge-Vollmacht und einer Betreuungsverfügung.
Im Jahr 2006 wurde der Kläger nach eigener Schilderung von seiner damaligen Nachbarin Frau S (geb. 28. April 1925) gebeten, die Vertretung bzw. Betreuung zu übernehmen. Die weitere Verwandtschaft erschien ihr hierfür nicht ausreichend vertrauenswürdig. Der Kläger und seine Ehefrau kannten die verwitwete Frau S dagegen aus der Nachbarschaft bereits seit 1972. Die Ehefrau des Klägers und Frau S waren seit langem befreundet. Aufgrund dessen und aufgrund der langjährigen nachbarschaftlichen Beziehung willigte der Kläger ein. Frau S erteilte dem Kläger daraufhin am 3. Juli 2006 eine sogenannte Vorsorgevollmacht. Die Vollmacht umfasste das Recht, bestimmte Maßnahmen in Vermögensangelegenheiten für die zu betreuende Person vorzunehmen (z.B. Verfügung über Vermögensgegenstände jeder Art; Vornahme von Zahlungen und Annahme von Zahlungen und Wertgegenständen, Eingehen von Verbindlichkeiten, Abschluss eines Heimvertrages oder einer ähnlichen Vereinbarung). Am gleichen Tag machte Frau S im Rahmen einer Betreuungsverfügung von ihrem Vorschlagsrecht gemäß § 1897 Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Gebrauch und bestimmte den Kläger für den Fall, dass die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung erforderlich sein sollte, zu ihrem Betreuer. Der Kläger sollte der Rechnungslegungspflicht unterliegen. Nach der Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung sollte es sich dabei um rein vorsorgliche Maßnahmen handeln, da Frau S sich trotz ihres hohen Alters noch komplett selbst um alle Dinge des täglichen Lebens kümmern konnte und keine Betreuung benötigte. Im Zuge der Erteilung der Vollmachten übergab Frau S dem Kläger ihre Unterlagen zu Bankgeschäften, Versicherungen und Haus. In der Folge half der Kläger Frau S bei der Erledigung schriftlicher Angelegenheiten etwa mit Behörden oder Versicherungen usw. Kurze Zeit nach der Erteilung der Vollmachten zog Frau S aus der Wohnung in der Nachbarschaft aus und – ohne Zutun des Klägers - in ein Wohnheim in das 3 km entfernte L. um. Der Kläger besuchte Frau S dort nach eigenen Angaben regelmäßig zwei- bis dreimal in der Woche, teilweise ohne konkreten Anlass. Neben Schriftverkehr mit Behörden und Versicherungen kümmerte sich der Kläger auch um einzelne Angelegenheiten, teilweise auch ohne ihr Bitten, um ihr eine Freude zu bereiten (z.B. Erwerb eines gebrauchten Fernsehers, Besorgen einer Perücke).
Nach Angaben des Klägers hatte Frau S den Kläger bereits im zeitlichen Zusammenhang mit der Erteilung der Vollmachten im Juli 2006 als Erbe eingesetzt. Zudem sollten seine „Tätigkeiten” in irgendeiner Weise später „vergütet” werden, was aber über die Jahre in Vergessenheit geraten war. Eine diesbezügliche Vereinbarung über die Erbringung von konkreten vom Kläger zu erbringenden Leistungen und deren Umfang sowie die Höhe einer Vergütung hatten der Kläger und Frau S weder bei der Erteilung der Vollmachten noch in der Folgezeit geschlossen.
Erst am 1. Dezember 2014 kam es zu einer vom Kläger vorformulierten und von Frau S unterzeichneten „Vergütungsvereinbarung”, bei der die unter A.) genannte Frau S als Vollmachtgeberin und Betreute und der – unter B.) genannte - Kläger als Bevollmächtigter und Betreuer bezeichnet wurden. Diese Vereinbarung hatte folgenden Inhalt:
„Vorbemerkung:
Die dieser Vereinbarung zugrundeliegenden Verträge wurden am 3.7.2006 geschlossen. Die Vertragsschließenden waren sich von vornherein darüber einig, dass die Tätigkeit des B.) von A.) zu vergüten ist. Eine Regelung sollte aber erst erfolgen, wenn Art und Umfang der Tätigkeit erkennbar werden würden. Dabei ist es bis jetzt verblieben.
Dies vorausgeschickt schließen die Beteiligten folgende
Vereinbarung:
Die Vergütung wird einvernehmlich ...