Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Preißer
Rz. 1
Mit der Überschrift zum 3. Abschnitt beginnt das Thema "Berechnung der tariflichen Steuer", d. h. die Berechnung des Steuerbetrages, der durch weitere Vorschriften wie z. B. § 21 ErbStG noch korrigiert werden kann. Die Berechnung der Steuer für den jeweils letzten Erwerb wird damit nochmals vor dem Hintergrund der §§ 16, 19, 19a ErbStG abgeändert.
Mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Übergaben, z. B. eine Schenkung und ein Erwerb von Todes wegen von derselben Zuwendungsperson, sind nach § 14 ErbStG zusammenzurechnen. Alle Erwerbe innerhalb des Zehnjahreszeitraumes werden dabei so behandelt, als seien sie insgesamt zur Zeit des Letzterwerbs ausgeführt.
Diese Tarifvorschrift setzt also die Identität der beteiligten Personen voraus, während bei der zweiten "Konzentrationsvorschrift", bei § 27 ErbStG (mehrfacher Erwerb desselben Vermögens) dasselbe Vermögen innerhalb von zehn Jahren durch mehrere – familiäre – Hände "läuft". Im letzteren Fall ist in § 27 ErbStG eine Herabsetzung der Erbschaftsteuer für den letzten Erwerb, allerdings nur bei Erwerb von Todes wegen, vorgesehen (Näheres dazu s. § 27 Rn. 20 f.).
Die Zusammenrechnung gem. § 14 ErbStG gewährleistet, dass ein Erwerber seinen persönlichen Freibetrag innerhalb von zehn Jahren nur einmal ausnutzen kann und dass sich durch die Aufspaltung in mehrere Teilerwerbe kein Progressionsvorteil ergibt. Damit wird – als "verschärfendes Merkmal" – verhindert, dass die Tarifregelungen des ErbStG durch eine Aufteilung in mehrere Erwerbe umgangen werden können. Gleichzeitig ist § 14 ErbStG durch ein "entlastendes" Momentum charakterisiert, indem die Steuer für die vorherigen Erwerbe verrechnet ("abgezogen") werden darf.
Hinweis: Technisch formuliert, erhöht sich bei Mehrfacherwerben innerhalb eines Jahrzehnts die Bemessungsgrundlage beim Letzterwerb (um den Vorerwerb), während im Abrechnungsteil des Steuerbescheids die (ggf. modifizierte) Vorsteuer verrechnet wird.
Rz. 2
Für den Anwendungsbereich des § 14 ErbStG betonte der BFH mehrfach, dass die Vorerwerbe und der Letzterwerb ihre Selbständigkeit bewahren. Nach dem Urteil des BFH vom 07.10.1998 (BStBl II 1999, 25), dem sich die Verwaltung in den überarbeiteten H E 14.1 Abs. 1 ErbStH und schon mit Erlass vom 09.06.2000 (BStBl I 2000, 810) angeschlossen hat, führte dies dazu, dass die Summe der Einzelwerte (vorher: geschenktes zinsloses Darlehen und später: geerbtes Vermögen) höher sein muss als der Wert des zuletzt übertragenen Gegenstandes.
Die Zielsetzung von § 14 ErbStG erschöpft sich in der Aufgabe, die Steuer für den letzten Erwerb in der zutreffenden Höhe zu ermitteln. Es soll weder zu einer negativen Erbschaftsteuer (Erstattung) noch zu einer Herabsetzung für frühere Erwerbe kommen, so auch der BFH vom 17.10.2001 (BStBl II 2002, 52). Dieses Merkmal wird besonders in den Urteilen der FG betont (so FG München vom 03.08.2000, EFG 2001, 33; FG Niedersachsen vom 22.06.2000, EFG 2001, 452 oder FG Baden-Württemberg vom 11.06.1999, EFG 2000, 1141).
Rz. 3
Nach BFH vom 02.03.2005 (BStBl II 2005, 728) ist aber bei der Berechnung der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbaren fiktiven Steuer ein Freibetrag vom Wert der Vorschenkungen nur in der Höhe abzuziehen, in der ihn der Steuerbürger innerhalb von zehn Jahren vor dem letzten Erwerb tatsächlich für Erwerbe von derselben Person verbraucht hat.