Rz. 1
§ 28a ErbStG ist durch die erneute Reform der Erbschaftsteuer zum Unternehmenserbschaftsteuerrecht – mit Rückwirkung zum 01.07.2016 – erstmalig Gesetz geworden. Die Regelung des § 28a ErbStG wird auch "Erlassmodell" genannt. Diese auch "Bedürfnisprüfung" genannte Konzeption war dem Steuerrecht zuvor fremd (Wachter, FR 2016, 690, 705). § 28a ErbStG ergänzt die bisherigen Regelungen zur BV-Verschonung. Diese Regelung hält der Gesetzgeber ergänzend für notwendig, da das BVerfG in seinem Urteil vom 17.12.2014 (1 BvL 21/12, DStR 2015, 31) die Verschonungsregelungen für betriebliches Vermögen zwar grds. für geeignet und erforderlich gehalten hatte, um Unternehmen in ihrem Bestand zu sichern und Arbeitsplätze zu erhalten, die Ausgestaltung der Verschonungsregelungen jedoch teilweise mit Art 3 Abs. 1 GG für unvereinbar gehalten hatte. Konkret hat das BVerfG (a. a. O. Rn. 170 ff.) beanstandet, dass das ErbStG a. F. insoweit eine Typisierung vornehme, in dem es für jeden Erwerb von BV annehme, dass die Belastung mit Erbschaft- oder Schenkungsteuer zu einer Gefährdung der Betriebsfortführung führen könne. Dies sei bei kleinen und mittleren Betrieben eher gegeben als bei Großunternehmen bzw. Großunternehmensanteilen. Bei größeren Erwerben könne es daher nur im Falle einer konkreten Gefährdung der Unternehmensfortführung durch die Steuerzahlung zu einer Verschonung oder Begünstigung kommen, die Gewährung der Begünstigung für alle BV ungeachtet ihrer Größe – gleichsam mit der Gießkanne – sei verfassungswidrig. Insgesamt erreiche bei größeren Unternehmen schon allein die Höhe der steuerbefreiten Beträge ein Ausmaß, welches eine besondere Prüfung erforderlich machen müsse. Der Gesetzgeber müsse danach ausschließen, dass auch diejenigen Unternehmenserben mit ihrem großen BV ganz ohne Steuerbelastung blieben, die die Steuer angesichts ihrer übrigen und gesamten Vermögenslage ganz oder zumindest zum Teil bezahlen könnten.
Rz. 2
Nach dem BVerfG kann eine gesetzlich ungleichmäßige Steuerbelastung von Steuergegenständen derselben Steuerart vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber das Verhalten der Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will (vgl. BVerfG vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12, Rn. 124). Daher soll es – um die Verschonung von der Steuer bei größeren Erwerben begünstigten Vermögens verfassungsrechtlich rechtfertigen zu können – einer Überprüfung bedürfen, ob durch die Verschonung das angestrebte Gemeinwohlziel auch erreicht werden wird. Damit wird nun eine Verschonungsbedarfsprüfung gerechtfertigt, die auf der Ebene des Erwerbers durchzuführen ist, sodass zu klären ist, ob die Entrichtung der Steuer durch den Steuerschuldner zu einer Gefährdung des Betriebes führen würde.
Rz. 3
Die neue Regelung des § 28a ErbStG ergänzt die bisherigen Verschonungsregelungen für BV und kreiert im Zusammenspiel mit den §§ 13a bis 13c, 28 ErbStG ein komplexes Verschonungssystem für Erwerbe mit neuen Optionsmöglichkeiten und langen Nachlauffristen. Erforderlich ist nun immer mehr eine komplexe Steuerplanung mit verschiedenen Beteiligten und Erwerben, die zum Teil mit dem eigentlich zu besteuernden Übertragungsvorgang nicht zusammenhängen.
Rz. 4
Abzuwarten bleibt, ob das Ziel, eine verfassungsfeste Regelung zu schaffen, erreicht werden konnte. Die Ungleichbehandlung von Erwerbern mit und ohne verfügbares Vermögen (Erstere müssen dieses Vermögen zu 50 % zur Steuerzahlung einsetzen, Letztere können völlig von der Steuerzahlung verschont werden) stellt eine Hürde dar, die nicht allein durch Arbeitsplatzerhaltung und Betriebsfortführung zu rechtfertigen sein dürfte.
Festzuhalten ist bereits an dieser Stelle, dass das sog. Erlassmodell nach § 28a ErbStG insb. für solche Vermögensübertragungen interessant sein dürfte, bei denen der Erwerber weitestgehend vermögenslos ist, also entweder typischerweise ein vermögenloses Kind oder eine im Übrigen vermögenslose – neu errichtete – Familienstiftung. Dann könnte im Einzelfall sogar eine vollständige Verschonung für das begünstigte Vermögen erreicht werden.
Rz. 5
Dass aber bereits zu einem frühen Zeitpunkt schon in der FinVerw der neue § 28a ErbStG zu Friktionen führt, zeigte sich an dem Erlass des "koordinierten" Ländererlasses der obersten FinBeh vom 22.06.2017 (ErbStErl 2017, BStBl I 2017, 902) zur Anwendung der geänderten Vorschriften des ErbStG. Hier hatte das Bundesland Bayern verhindert, dass es zu einem "gleichlautenden" Ländererlass kam, was zur Folge hatte, dass der Erlass in Bayern für die FinVerw nicht zwingend anwendbar war. Hierzu gab es den sog. bayrischen Sonderweg mit einem eigenen Erlass (LfSt Bayern vom 14.11.2017, DStR 2017, 2554). Ein Streitpunkt war die Ermittlung des verfügbaren Vermögens i. S. d. § 28a ErbStG. Nach A 28a.2 Abs. 2 Satz 1 ErbStErl 2017 waren die Verhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt maßgebend. Nach Satz 6 soll allerdings die auf den Erwerb entfallende Steuer den Wert des verfügbaren Vermögens nicht mindern, ebenso weni...