Dipl.-Kffr. Christina Vosseler, Francoise Dammertz
Rz. 1
§ 201 BewG regelt die Ermittlung des durchschnittlichen Jahresertrages, der maßgeblich für die Berechnung des Ertragswerts ist. Die Norm bestimmt insb., welche Wirtschaftsjahre in die Berechnung einbezogen werden. Da der Ertragswert zukunftsbezogen zu ermitteln ist, bildet der voraussichtliche Jahresertrag, der zukünftig nachhaltig erzielbar ist (s. § 201 Abs. 1 Satz 1 BewG), die Bemessungsgrundlage. Ohne entsprechende Finanzplandaten muss dieser anhand des in der Vergangenheit tatsächlich erzielten Durchschnittsertrags geschätzt werden (Verwaltungsvereinfachung, s. § 201 Abs. 1 Satz 2 BewG). Das vereinfachte Ertragswertverfahren geht davon aus, dass der Betrieb in wirtschaftlich gleichem Umfang weitergeführt wird. Dies rechtfertigt im Allgemeinen den Schluss, dass sich auch die Ertragslage in den nächsten Jahren nicht wesentlich ändern wird.
Rz. 2
Für die Schätzung dieses Durchschnittsertrags bilden die in der Vergangenheit erzielten Betriebsergebnisse des Unternehmens die Ausgangsbasis. Der Durchschnittsertrag ist nach Möglichkeit aus den Betriebsergebnissen der letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahre herzuleiten (Referenzzeitraum, s. § 201 Abs. 2 Satz 1 BewG). Dabei sind grds. nur solche Wirtschaftsjahre einzubeziehen, die bis zum Besteuerungszeitpunkt, also dem Bewertungsstichtag, vollumfänglich abgelaufen sind (s. Eisele in R/T, § 201 Rn. 3). Insoweit entspricht diese Vorgehensweise grds. der Ermittlung des Ertragsprozentsatzes i. R.d. Stuttgarter Verfahrens (s. R 99 ErbStR 2003). Der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch auf die Berücksichtigung von Wertverlusten, die sich nach dem maßgeblichen Bewertungsstichtag ergeben haben (s. FG Hamburg vom 28.04.2009, EFG 2010, 103).
Rz. 3
Das Stichtagsprinzip gilt auch für Unternehmensbewertungen nach IDW S1 (FG Düsseldorf vom 12.12.2018, EFG 2019, 406). Im Gegensatz zum Stuttgarter Verfahren wird die Ertragsprognose jedoch nicht mehr ausschließlich anhand der folgenden fünf Jahre erstellt, stattdessen bezieht sich die Prognose auf einen unbegrenzten Zeitraum (s. Eisele in R/T, § 201 Rn. 2).
Rz. 4
Zeichnet sich nach den Umständen des Einzelfalles ab, dass die Ertragsentwicklung des Gewerbebetriebs in dem Wirtschaftsjahr, in dem der Bewertungsstichtag liegt, für die Prognose des Zukunftsertrags bedeutsam ist, so ist das Betriebsergebnis dieses (gesamten) Wirtschaftsjahrs in den Dreijahreszeitraum einzubeziehen (s. § 201 Abs. 2 Satz 2 BewG). In diesen besonderen Fällen wird auch – entgegen dem Stichtagsprinzip – ein Zeitraum nach dem Bewertungsstichtag in die Betrachtung mit einbezogen (K/S/S, § 201 Rn. 3). Es erfolgt keine nur zeitanteilige Berücksichtigung (s. R B 200 Abs. 3 Satz 1 ErbStR).
Rz. 5
Die Summe der Betriebsergebnisse aus den drei zugrunde gelegten Wirtschaftsjahren ist durch drei zu dividieren (eine Gewichtung der einzelnen Betriebsergebnisse wie noch im früheren Stuttgarter Verfahren findet nicht statt) und ergibt den Durchschnittsertrag, der den Jahresertrag darstellt (s. § 201 Abs. 2 Satz 3 und 4 BewG). Das noch nicht abgelaufene Wirtschaftsjahr wird mit dem vollen Betriebsergebnis berücksichtigt.
Rz. 6
Beispiel (in Anlehnung an Schnitter in W/J, § 201 BewG Rn. 19):
Ein Betrieb wird zum 15.12.2020 i. R.d. vorweggenommenen Erbfolge übertragen. Das Wirtschaftsjahr entspricht dem Kalenderjahr. Es liegen folgende Betriebsergebnisse vor:
2017 |
2018 |
2019 |
2020 |
110.000 EUR |
120.000 EUR |
130.000 EUR |
200.000 EUR |
Durch eine technische Weiterentwicklung ist das Betriebsergebnis 2020 für die zukünftige Ertragsentwicklung prägend. Aus diesem Grund sind die Betriebsergebnisse der Jahre 2018 bis 2020 für die Ermittlung des Durchschnittsertrags maßgebend.