Rz. 1
§ 8 ErbStG konkretisiert die in § 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG der Steuerpflicht unterworfene Zweckzuwendung. Die Regelung wurde erstmals in das ErbStG 1922 aufgenommen, um eine bestehende Besteuerungslücke zu schließen.
Rz. 2
Eine Zweckzuwendung kann nur im Zusammenhang mit einem Erwerb von Todes wegen oder einer freigebigen Zuwendung auftreten, sodass stets eine Zweistufigkeit gegeben ist. Erforderlich ist zunächst eine der Zweckzuwendung vorgelagerte Zuwendung von Todes wegen oder eine freigebige Zuwendung unter Lebenden gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (1. Stufe). Die Art der der Zweckzuwendung vorgelagerten Zuwendung kann infolge der Regelung des § 1 Abs. 2 ErbStG ("soweit") zu unterschiedlichen Besteuerungsergebnissen führen. Die Zuwendung muss des Weiteren (2. Stufe) mit einer Auflage verbunden oder von einer Bedingung abhängig sein, die zum Inhalt hat, dass der Zuwendungsempfänger den Erwerb oder zumindest einen Teil davon zugunsten eines bestimmten (unpersönlichen) Zwecks oder eines unbestimmten Personenkreises verwenden muss, der weder ihm selbst (§ 10 Abs. 9 ErbStG) noch dem Zuwendenden zugutekommt.
Damit wird auch der Regelungszweck der Vorschrift verständlich. Ohne die Regelung der §§ 1 Abs. 1 Nr. 3, 8 ErbStG wäre nämlich die Auflage als Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG) abzugsfähig, während die Zweckzuwendung, die lediglich einen bestimmten Zweck oder unbestimmten (vagen) Personenkreis begünstigt, nicht steuerpflichtig wäre, sodass das zur Zweckerfüllung eingesetzte Vermögen im Ergebnis unversteuert bliebe. An dieser Stelle setzt § 8 an, unterwirft die Zweckzuwendung ebenfalls der Besteuerung und schließt damit die ansonsten bestehende Besteuerungslücke (s. § 1 Rn. 17). Folge davon ist, dass das Zweckvermögen steuerrechtlich verselbständigt wird und als solches der Besteuerung unterliegt, obwohl eine bestimmte Person, die als Erwerber bereichert sein könnte, fehlt. Rechtssystematisch ist dies schwierig begründbar (s. § 1 Rn. 17; ebenso Esskandari in L/S, § 8 Rn. 6; Geck in K/E, § 8 Rn. 14), lässt sich aber aus dem Zweck der Regelung, eine Besteuerungslücke zu schließen, erklären. Daraus ergibt sich auch, dass § 8 ErbStG zu den Besteuerungstatbeständen der §§ 3, 7 ErbStG subsidiär ist und nur eingreift, wenn diese nicht erfüllt sind (s. Esskandari in S/L, § 8 ErbStG Rn. 6; Gottschalk in T/G/J/G, § 8 Rn. 8; Mirbach/Engelhof in W/J, § 8 Rn. 1). Insbesondere die §§ 3 Abs. 2 Nr. 2 und 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG schließen eine Anwendung von § 8 ErbStG aus.
Der Erblasser verfügt letztwillig, einen gewissen Geldbetrag für Hilfsbedürftige in der Gemeinde zu verwenden.
Lösung:
Der Erbe kann bei Erfüllung der Auflage, den für die Unterstützung der Hilfsbedürftigen aufgewandten Betrag als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG bereicherungsmindernd abziehen. Die Auflage, Hilfsbedürftige innerhalb der Gemeinde zu unterstützen, begünstigt einen unbestimmten Personenkreis, sodass darin eine Zweckzuwendung zu sehen ist, die nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 3, 8 ErbStG steuerpflichtig ist (Einzelheiten zur Besteuerung s. Rn. 6 ff.).