Dr. Stefan Königer, Dennis Helwig
Rz. 242
Für begünstigtes Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 2 ErbStG wird ein Abschlag in Höhe von bis zu 30 % des gemeinen Werts des begünstigten Vermögens gewährt, wenn es sich bei dem begünstigten Vermögen um ein Familienunternehmen i. S. d. § 13a Abs. 9 ErbStG handelt. Die Begünstigung von Familienunternehmen gegenüber anderen Unternehmen, die zwar auch begünstigtes Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 2 ErbStG darstellen, jedoch bestimmte Kriterien nicht erfüllen, wurde durch Einigung der Koalitionsfraktionen am 20.06.2016 beschlossen. Da der Steuerpflichtige von dem Vorwegabschlag nur in Bezug auf das begünstigte Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 2 ErbStG profitieren soll, ist der Vorwegabschlag nicht bereits bei der Ermittlung des gemeinen Werts des gesamten Betriebsvermögens anzuwenden und daher nicht im BewG, sondern erst im Rahmen des § 13a ErbStG zu berücksichtigen (Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 472).
Rz. 243
Die Notwendigkeit eines Vorwegabschlags für Familienunternehmen ergibt sich aus den oftmals in dem Gesellschaftsvertrag geregelten Benachteiligungen der Gesellschafter eines Familienunternehmens gegenüber Gesellschaftern anderer Unternehmen. So wird zur Sicherung des Familienvermögens oftmals eine Verfügungs- oder Entnahmebeschränkung in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen oder auch die Höhe der Abfindung im Falle des Ausscheidens der Gesellschafter begrenzt (Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 473). Der Gesetzgeber hat daher die in einem Familiengesellschaftsvertrag üblicherweise vorkommenden Beschränkungen als Voraussetzungen für die Gewährung des Vorwegabschlags in § 13a Abs. 9 Satz 1 ErbStG aufgenommen. Ein Familienunternehmen liegt i. S. d. Vorschrift nur dann vor, wenn die nachfolgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
- Der Gesellschafter muss einen Teil seines Gewinnanteils, mindestens 62,5 % nach Steuerabzug, im Unternehmen belassen.
- Die Beteiligten (Anteilseigner) können ihre Anteile nur intern (an Angehörige, Mitgesellschafter oder an eine Familienstiftung) veräußern.
- Der Ausscheidende bekommt für seinen Anteil (seine Beteiligung) nicht den Marktwert (gemeinen Wert), sondern weniger ausbezahlt (Minderbetrag). Nicht ausreichend ist die Möglichkeit eines Verkaufs an Mitgesellschafter, Angehörige i. S. d. § 15 AO oder an eine inländische Familienstiftung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 oder eine entsprechende ausländische Familienstiftung unter dem gemeinen Wert (R E 13.20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 2 ErbStR).
- Die Punkte 1 bis 3 müssen vertraglich fixiert sein und auch tatsächlich umgesetzt werden.
Rz. 244
Da Einzelunternehmer mangels eines Gesellschaftsvertrags oder einer Satzung sowie Aktieninhaber gesellschaftsrechtlich aufgrund der aktienrechtlichen Vorschriften durch Satzungsbestimmungen grundsätzlich nicht in der Verfügung über das begünstigte Vermögen beschränkt werden können, ist § 13a Abs. 9 ErbStG nur auf Beteiligungen an Personengesellschaften sowie Anteile an einer GmbH anwendbar (R E 13a.20 Abs. 1 Satz 4 ErbStR). Zwar können sich in Bezug auf Aktien Verfügungsbeschränkungen aus einem Poolvertrag i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG ergeben. Hierbei handelt es sich jedoch um eine schuldrechtliche und keine sich aus der Satzung ergebende Verfügungsbeschränkung, so dass auch der Abschluss eines Poolvertrags nach Auffassung der Finanzverwaltung den Vorwegabschlag nicht rechtfertigt (R E 13a.20 Abs. 2 Satz 2 ErbStR). Allerdings sollte es entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung und des Wortlauts der Vorschrift im Allgemeinen, d. h. auch bei Anteilen an einer GmbH, ausreichen, wenn sich die Verfügungsbeschränkung aus einer Poolvereinbarung oder einer anderen schuldrechtlichen Vereinbarung ergibt (so auch Reich, BB 2016, 1879, 1882; Söffing, ErbStB 2016, 237; Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 487).
Rz. 245
Der Vorwegabschlag ist vorrangig vor Anwendung des § 13a Abs. 1 (Verschonungsabschlag) oder Abs. 10 bzw. § 13c ErbStG sowie der Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG sowie von Amts wegen, d. h. ohne Antrag des Steuerpflichtigen, zu gewähren (R E 13a.20 Abs. 1 Satz 2 und 5 ErbStR). Daher ist der Wert des begünstigten Vermögens (§ 13b Abs. 2 ErbStG) vor der Prüfung des Schwellenwerts für Großerwerbe von 26 Mio. EUR (§ 13c Abs. 1 Satz 1 bis 3 ErbStG) stets um den sich im Einzelfall ergebenden Vorwegabschlag zu verringern. Im Ergebnis kann somit begünstigtes Vermögen in Höhe von ca. 37,14 Mio. EUR übertragen werden, ohne dass der Schwellenwert in § 13c Abs. 1 Satz 1 ErbStG von 26 Mio. EUR überschritten wird. Beim Vorliegen der Voraussetzungen ist der Vorwegabschlag auch im Falle der Optionsverschonung anzuwenden, auch wenn beides zusammen zu einer Vollverschonung des begünstigten Vermögens führt (R E 13a.20 Abs. 1 Satz 7 ErbStR).
Rz. 246
Besteht das begünstigte Vermögen nicht nur aus einer wirtschaftlichen Einheit, sondern z. B. neben der Beteiligung an der Familiengesellschaft aus dem Betrieb eines Einzelunternehmens, so ist der Abschlag bei Vorliegen der Voraussetzungen nur für die Beteiligun...