Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Preißer
Rz. 183
Die Anwendung von § 2 Abs. 3 ErbStG hatte zur Folge, dass der Vermögensanfall insgesamt den Regeln der unbeschränkten Steuerpflicht unterworfen war. Der Steuerpflichtige hatte damit Anspruch auf die deutlich höheren Freibeträge nach § 16 Abs. 1 ErbStG. Dies hatte aber auch zur Folge, dass für den Erwerb die gegenständliche Begrenzung der Bemessungsgrundlage auf das Inlandsvermögen nicht mehr zur Anwendung kam. Stattdessen erweiterte sich die Bemessungsgrundlage auf das Weltvermögen. Der Steuerpflichtige erfüllte damit aber auch die Voraussetzungen für eine Anrechnung der ausländischen Steuer nach § 21 ErbStG, die nur bei einer unbeschränkten Steuerpflicht möglich ist (s. § 21 Rn. 15 ff.).
Rz. 184
Die Anwendung von § 2 Abs. 3 ErbStG hatte zur Folge, dass auch innerhalb von zehn Jahren vor und nach dem Vermögensanfall von derselben Person anfallende Erwerbe ebenfalls der unbeschränkten Steuerpflicht unterlagen und nach Maßgabe von § 14 ErbStG zusammengerechnet wurden (§ 2 Abs. 3 Satz 2 ErbStG). Damit sollte nach der Gesetzesbegründung verhindert werden, dass die Steuervorschriften "durch in mehrere Teile aufgespaltene Schenkungen zwischen denselben Personen umgangen werden können". Für die Anwendung von § 2 Abs. 3 Satz 2 ErbStG war für die Vermögensanfälle, die zusammengerechnet werden sollen, eine Personenidentität zwischen Schenker bzw. Erblasser und Erwerber erforderlich.
Rz. 185
Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 ErbStG hatte zur Folge, dass Vorgänge zur Besteuerung herangezogen wurden, die keine Anknüpfung mehr zum Inland hatten, so insbesondere der Übergang des sonstigen Vermögens außerhalb Deutschlands oder evtl. Vor- und Nachschenkungen von Vermögen außerhalb Deutschlands. Die Finanzbehörden waren hierbei auf die Mitwirkung der Steuerpflichtigen angewiesen. Es war daher in diesen Fällen ein Vollzugsdefizit zu befürchten.
Rz. 186
§ 2 Abs. 3 Satz 3 ErbStG enthielt als weitere Rechtsfolge eine Hemmung der Festsetzungsverjährung. Die Vorschrift nahm Bezug auf Satz 2 Nr. 1. In der in Kraft getretenen Gesetzesfassung ging der Bezug jedoch ins Leere. Im Referentenentwurf vom 22.03.2011 lautete § 2 Abs. 3 Satz 2 ErbStG noch wie folgt:
„In diesen Fällen sind auch mehrere
1. innerhalb von zehn Jahren vor dem Vermögensanfall und
2. innerhalb von zehn Jahren nach dem Vermögensanfall
von derselben Person anfallende Erwerbe als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln und nach Maßgabe des § 14 zusammenzurechnen.’
Es handelte sich somit offensichtlich um ein Redaktionsversehen, bei dem davon auszugehen war, dass es bei nächster Gelegenheit beseitigt werde.
Ziel der Regelung war, dass – im Falle eines Antrags nach § 2 Abs. 3 ErbStG – eine Steuerfestsetzung für Vermögensanfälle innerhalb der letzten zehn Jahre nicht am Eintritt der Festsetzungsverjährung scheiterte. Zu diesem Zweck sollte der Ablauf der Festsetzungsfrist für diese Vorerwerbe gehemmt werden. Die Festsetzungsfrist sollte somit nicht vor Ablauf des vierten Jahres, nachdem die Finanzbehörde von dem Antrag für den Nacherwerb Kenntnis erlangt hatte, enden (so auch Koordinierter Ländererlass vom 15.03.2012, BStBl I 2012, 328, Rn. 3a).
Rz. 187
In § 35 Abs. 4 ErbStG fand sich für die Fälle von § 2 Abs. 3 ErbStG eine Regelung zur örtlichen Zuständigkeit. Danach war das Finanzamt örtlich zuständig, dass sich bei sinngemäßer Anwendung von § 19 Abs. 2 ErbStG ergab. Dies war das Finanzamt, in dessen Bezirk sich das Vermögen bzw. der wertvollste Teil des Vermögens befand.