Dr. Stefan Königer, Dennis Helwig
Rz. 278
Die Höhe des Vorwegabschlags beträgt maximal 30 % (Abs. 9 Satz 3), kann also demzufolge auch (deutlich) unter 30 % liegen. Für die Berechnung der Höhe des Vorwegabschlags kommt es ausschließlich auf die im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung enthaltenen Abfindungsbestimmungen für das Ausscheiden aus der Gesellschaft und im Einzelnen darauf an, wie weit die Abfindung prozentual unter dem gemeinen Wert der jeweiligen Beteiligung an der Gesellschaft liegt. Nicht relevant für die Bestimmung der Höhe des Vorwegabschlags sind die Regelungen zur Entnahme- bzw. Ausschüttungsbeschränkung sowie zur Verfügungsbeschränkung (R E 13a.20 Abs. 5 Satz 3 ErbStR).
Rz. 279
Da die Abfindungsbestimmungen in dem Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung einer Familiengesellschaft größtenteils höchst individuell ausgestaltet sind, können sich in der Praxis bei der Bestimmung des Vorwegabschlags Schwierigkeiten ergeben, die ggf. zu Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung führen. Dies wäre insb. dann der Fall, wenn die Abfindung nach der Bestimmung im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung nach einem Bewertungsverfahren vorzunehmen ist, das nicht in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG genannt ist bzw. die Abfindung nicht entsprechend § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG nach Verkäufen unter fremden Dritten vorzunehmen ist, wenn ein solcher Verkauf weniger als ein Jahr zurückliegt. Die Finanzverwaltung könnte hierbei neben Meinungsverschiedenheiten bei der Durchführung des Bewertungsverfahrens den Einwand haben, dass das Bewertungsverfahren an sich bereits nicht zur Bestimmung der Höhe des Vorwegabschlags geeignet ist (Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 487). Auch für den Fall, dass immaterielle Vermögenswerte bei der Wertfindung nicht berücksichtigt werden oder Anlagevermögen pauschaliert bewertet wird, kann es zu Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung über die Wertrelation kommen (Steger/Königer, BB 2016, 3099, 3101). Aus diesem Grund wird in der Literatur teilweise ein offener Abschlag in Bezug auf die Abfindung befürwortet (Weber/Schwind, ZEV 2016, 688, 692; Wälzholz, GmbH-StB 2017, 54, 58). Jülicher weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass ein offener Abschlag das Risiko birgt, dass die Finanzverwaltung unmittelbar eine Schenkung nach § 7 Abs. 7 ErbStG annimmt (Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 488). Nach § 7 Abs. 7 gilt als Schenkung auch der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters beruhende Übergang des Anteils oder Teils eines Anteils des Gesellschafters an der Personen- oder Kapitalgesellschaft auf die anderen Gesellschafter, soweit der Wert des Anteils i. S. d. § 12 ErbStG den Wert des Abfindungsanspruchs übersteigt (zu Einzelheiten s. § 7 Rz. 709).
Rz. 280
Ist die Höhe der Abfindung laut Gesellschaftsvertrag oder Satzung an den Grund des Ausscheidens des jeweiligen Gesellschafters geknüpft (z. B. freiwilliges Ausscheiden oder Ausscheiden aufgrund eines Verstoßes gegen bestimmte gesellschaftsvertragliche Vorschriften), so bestimmt sich die Höhe des Vorwegabschlags nach der höchstmöglichen Abfindung (R E 13a.20 Abs. 5 Satz 4 ErbStR). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Finanzverwaltung immer den niedrigstmöglichen Vorwegabschlag ansetzen wird. Teilweise wird vertreten, dass sich der Vorwegabschlag nach der Abfindung für den Fall der Eigenkündigung, d. h. des freiwilligen Ausscheidens des Gesellschafters, richtet (Stalleiken in vO/L, § 13a Rz. 239). U.E. sollte zumindest bei einem späteren tatsächlichen Ausscheiden der Erbschaftsteuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden, wenn die Höhe des Vorwegabschlags nach einer anderen Abfindungsbestimmung im Gesellschaftsvertrag bzw. in der Satzung ermittelt wurde als nach der Bestimmung, die letztendlich auf den tatsächlichen Ausscheidensgrund Anwendung findet. Zumindest für den umgekehrten Fall, dass sich innerhalb von 20 Jahren nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer die Abfindungsbeschränkung verringert oder diese gänzlich wegfällt, sieht die Finanzverwaltung in R E 13a.20 Abs. 7 Satz 5 ErbStR eine solche Änderung vor.
Beispiel
Die Satzung der AB GmbH sieht für den Fall des freiwilligen Ausscheidens eines Gesellschafters aus der Gesellschaft eine Abfindung in Höhe von 75 % des Verkehrswerts der Anteile zum Zeitpunkt des Ausscheidens vor. Beruht das Ausscheiden aus der Gesellschaft auf einem schwerwiegenden Verstoß gegen die Satzungsbestimmungen, so beträgt die Abfindung lediglich 50 % des Verkehrswerts der Anteile zum Zeitpunkt des Ausscheidens. Bei der Bestimmung des Verkehrswerts ist das Anlagevermögen der AB GmbH pauschal mit 50 % der Anschaffungskosten und das Umlaufvermögen mit dem Wiederbeschaffungswert anzusetzen.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist für die Bestimmung des Vorwegabschlags zunächst auf die höchstmögliche Abfindung, d. h. auf das freiwillige Ausscheiden aus der Gesellschaft, abzustellen. Aufgrund der pauschalen Bewertung des Anlagevermögens mit 50 % der Anschaffungskosten sowie des Ansatzes des Umlaufvermögens mit dem Wiederbeschaf...