Dipl.-Kffr. Christina Vosseler, Francoise Dammertz
Rz. 1
Wird BV im Zuge einer Erbschaft oder Schenkung übertragen, bemisst sich die Erbschaftsteuer am Wert des übertragenen Vermögens. Folglich stellt sich die Frage nach dem passenden Bewertungsverfahren. Bewertungsgutachten sind grds. sehr teuer und zeitaufwendig. Daher hat der Gesetzgeber im Interesse von kleinen und mittleren Unternehmen das vereinfachte Ertragswertverfahren zur Anwendung zugelassen. Das gesetzlich verankerte vereinfachte Ertragswertverfahren bietet die Möglichkeit, ohne hohen Ermittlungsaufwand oder Kosten für einen Gutachter einen objektivierten Unternehmenswert durch ein vereinfachtes typisierendes Bewertungsverfahren auf der Grundlage der Ertragsaussichten zu ermitteln.
Rz. 2
Die Grundlage für das Verfahren bildet der Jahresertrag, welcher sich aus dem Durchschnitt des Betriebsergebnisses (nach Korrekturen) der letzten drei Jahre herleiten lässt. Dieser Jahresertrag ergibt multipliziert mit dem vorgegebenen Kapitalisierungsfaktor den Ertragswert (s. Krumm/Leingärtner, Rn. 25).
Durch § 199 BewG wird der Anwendungsbereich des vereinfachten Ertragswertverfahrens bestimmt. Dieses Bewertungsverfahren gilt rechtsformneutral für alle Unternehmen und unabhängig von Größenklassen. Abs. 1 des § 199 BewG gilt für die Bewertung von Anteilen an einer KapG, während Abs. 2 die Bewertung von Gewerbebetrieben (Einzelunternehmen) und für die Bewertung von Anteilen an gewerblich tätigen PersG betrifft. Das FA kann auf eine gesonderte Feststellung der Anteilswerte verzichten, wenn die Werte nur von geringer Bedeutung sind (s. dazu § 200 Rz. 8).
Rz. 3
Bei der Bewertung von Anteilen an KapG wird nicht unmittelbar der Anteil an einer KapG bewertet, sondern zunächst die KapG selbst. Anschließend wird der Wert des Anteils nach § 97 Abs. 1b BewG ermittelt und gesondert festgestellt (§ 151 Abs. 1 Nr. 3 BewG). Das bis einschließlich 2008 geltende "Steuerbilanzwertverfahren" nach § 109 Abs. 1 BewG a. F. und die damit einhergehende "Bewertungsidentität" sind faktisch abgeschafft. Das vereinfachte Ertragswertverfahren ist in seiner Anwendung arbeits- und (wohl auch) kostenintensiver. Ein Problem bestand darin, dass der Kapitalisierungsfaktor des nachhaltig erzielbaren Jahresertrags von bis zu 18,21 (2015) zu unbilligen und unverhältnismäßig hohen Unternehmenswerten führte. Durch die ErbSt-Reform wurde der Kapitalisierungsfaktor daher rückwirkend ab dem 01.01.2016 auf eine Höhe von 13,75 gem. § 203 Abs. 1 BewG festgelegt.
Rz. 4
Das vereinfachte Ertragswertverfahren ist in folgenden Fällen nicht anwendbar:
- Für die KapG besteht zum Stichtag ein Börsenkurs (§ 11 Abs. 1 BewG).
- Der gemeine Wert der Anteile lässt sich aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Ein Ableiten des Werts aus Verkäufen nach dem Bewertungsstichtag ist i. d. R. nicht zulässig (s. FG Düsseldorf vom 03.04.2019, DStR 2019, 1807).
- Der Substanzwert, d. h. die Summe der gemeinen Werte der zum BV gehörenden WG und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum BV gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge, ist höher als der vereinfachte Ertragswert (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG).
- Es steht fest, dass die zu bewertende KapG liquidiert wird. Bei der (beabsichtigten) Liquidation kann nicht mehr von einem operativ tätigen Unternehmen ausgegangen werden, sodass es auch keinen nachhaltigen zukünftigen Jahresertrag mehr erzielt (s. Barthel, FB 2008, 520 (522); Piltz, DStR 2008, 745 (749)).
- Die Ertragswertmethode ist nicht anwendbar, sondern eine andere anerkannte Methode, die auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nicht steuerliche Zwecke üblich ist.
- Das vereinfachte Ertragswertverfahren führt zu einem "offensichtlich unzutreffenden Ergebnis".