Rz. 1

§ 1 Abs. 1 ErbStG zählt die der Erbschaftsteuer unterliegenden Vorgänge abschließend auf und umreißt damit die sachliche Steuerpflicht. Eine analoge Ausweitung der Vorschrift auf ähnliche Vorgänge ist nicht möglich (s. BFH vom 06.03.1991, BStBl II 1991, 412). Während die Nrn. 1–3 des § 1 Abs. 1 ErbStG unentgeltliche Übergänge von Vermögen beim Erwerb von Todes wegen, Schenkungen unter Lebenden und Zweckzuwendungen erfassen, regelt Nr. 4 die Besteuerung sog. Familienstiftungen und Familienvereine und unterwirft deren Vermögen auch ohne Vermögensbewegung der Besteuerung (Erbersatzsteuer). Zwar fingiert das Gesetz auch bei der Erbersatzsteuer eine Vermögensbewegung, indem angenommen wird, dass die Familienstiftung bzw. der Familienverein nach Ablauf von 30 Jahren jeweils erlischt und das Vermögen auf eine im gleichen Zeitpunkt neu entstandene Familienstiftung bzw. einen neu entstandenen Familienverein übergeht (s. Geck in K/E, § 1 Rn. 48, Weinmann in M/W, § 1 Rn. 1; Meßbacher-Hönsch in W/J, § 1 Rn. 1), dies scheint allerdings wenig überzeugend. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich bei der Erbersatzsteuer des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG um einen mit dem klassischen System der Erbschaft- und Schenkungsteuer brechenden Besteuerungstatbestand eigener Art handelt, der eine Vermögensbesteuerung darstellt (so auch Gottschalk in T/G/J/G, Einführung Rn. 2 und Kobor in F/P/W, § 1 Rn. 50 sowie Geck in K/E, § 1 Rn. 49, ähnlich: Griesel in D/H/R, § 1 Rn. 2 und von Oertzen, in vO/L, § 1 Rn. 27). Die Sonderstellung der Erbersatzsteuer im Gefüge des Erbschaftsteuerrechts zeigt sich bereits daran, dass die Besteuerungstatbestände der Nrn. 1–3 bereits im Erbschaftsteuergesetz 1922 vorgesehen waren, Nr. 4 jedoch erst im Erbschaftsteuergesetz 1974 eingefügt wurde, um die Besteuerungslücke bei Familienstiftungen und Familienvereinen zu schließen.

 

Rz. 2

§ 1 Abs. 1 ErbStG zählt nur die einzelnen steuerpflichtigen Vorgänge auf, ohne diese weiter zu konkretisieren, und gibt somit lediglich den Rahmen der Steuerpflicht nach dem Erbschaftsteuergesetz vor. Die jeweilige Konkretisierung bleibt den nachfolgenden Vorschriften des ersten Abschnitts des Erbschaftsteuergesetzes vorbehalten. So enthalten die §§ 3 bis 6 ErbStG nähere Vorgaben zum Erwerb von Todes wegen, wobei § 3 ErbStG detailliert auflistet, welche Vorgänge als Erwerb von Todes wegen anzusehen sind. § 7 ErbStG enthält sodann eine Aufzählung und nähere Konkretisierung der Vorgänge, die unter die Schenkungen unter Lebenden fallen, und § 8 ErbStG konkretisiert die Zweckzuwendungen. Lediglich die Erbersatzsteuer wird im ersten Abschnitt des Gesetzes nicht weiter ausgeführt.

 

Rz. 3

In der Praxis hat sich eingebürgert, die gesetzliche Grundlage der Besteuerung des § 1 Abs. 1 Nrn. 1–3 ErbStG nicht zu zitieren, sondern direkt auf die §§ 3 bis 8 ErbStG Bezug zu nehmen. Einzig bei der Erbersatzsteuer, die in § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG abschließend geregelt ist, wird auf § 1 Bezug genommen.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Preißer, Erbschaft- und Schenkungsteuer (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?